: Ausgebremst wird nur subtil
Die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und den USA sind „grundsätzlich solide“ und „unerschütterlich“. Während Firmenvertreter keine Probleme mit deutschen Kontakten haben, sieht es bei US-Politikern jedoch anders aus
aus Washington MICHAEL STRECK
Der Witz des Tages war nicht wirtschaftlicher, sondern politischer Natur: Am Rande des zweitägigen deutsch-amerikanischen Wirtschaftsgipfels wollte US-Vizepräsident Dick Cheney gern den deutschen Wirtschaftsminister Wolfgang Clement (SPD) treffen. Und jeder fragte, ob wohl auch diesmal US-Präsident George W. Bush ganz zufällig im Zimmer aufkreuzen würde, wie es Hessens Ministerpräsident Roland Koch (CDU) letzte Woche im Weißen Haus passierte. Doch diesen Gefallen tat Bush der Bundesregierung nicht. Clement wusste dennoch von einem „außerordentlich offenen und symphatischen Gespräch“ zu berichten. Eine besondere Botschaft von Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) habe er nicht dabeigehabt, schießlich wollte er nicht als „Götterbote“ zwischen beiden fungieren.
Anders als die gestörte persönliche Chemie zwischen den beiden Staatschefs sind die wirtschaftlichen Beziehungen „grundsätzlich solide“. Das sagt jedenfalls Thomas Donohue, Präsident der US-Handelskammer. Wolfgang Ischinger, der deutsche Botschafter in der US-Hauptstadt, bezeichnet sie gar als „unerschütterlich“.
Die Fundamentaldaten scheinen ihnen Recht zu geben. Die deutschen Ausfuhren in die USA sind im ersten Quartal 2003 um 17,6 Prozent auf knapp 16 Milliarden Dollar gestiegen. Boykottaufrufe aus dem Kongress sind offenbar wirkungslos verhallt. Amerika bleibt nach der EU der zweitwichtigste Exportmarkt für Deutschland. US-Unternehmen beschäftigen rund 800.000 Menschen in Deuschland. Umgedreht haben deutsche Firmen eine Million Arbeitsplätze in den USA geschaffen.
Hinter den Kulissen beobachtet Jürgen Lohmeyer, Vizepräsident der Deutschen Post World Net USA, jedoch auch ein „subtiles Ausbremsen“ deutscher Firmen. Protektionistische Tendenzen seien im Zuge der Irakkrise stärker geworden. So habe der US-Kongress festgelegt, dass eine US-Fluggesellschaft nicht mehr als „nationales Unternehmen“ gelte, wenn sie mehr als 50 Prozent ihrer Umsätze mit ausländischen Kunden erwirtschafte. Früher galt lediglich, dass sie nicht mehrheitlich im Besitz eines ausländischen Unternehmens sein dürfe. Durch die neue Regelung werden die Pläne der Post-Tochter DHL, die US-Logistikfirma Airborne zu übernehmen, vorerst zunichte gemacht – zur Freude der heimischen Konkurenz UPS und FedEx.
Auch der Einfluss von Abgeordneten und Senatoren auf das US-Wirtschaftsgeschehen ist nicht zu unterschätzen. Leo Welt, Chef des Deutsch-Amerikanischen Wirtschaftsrats, hält es für möglich, dass Politiker bei Standortentscheidungen oder US-Staatsaufträgen die „patriotische Karte“ ausspielen und auf die Vergabe an einheimische Unternehmen drängen.
Während US-Politiker den Deutschen ihre Haltung im Irakkrieg vielfach übel genommen haben, bringen Firmenvertreter offenbar mehr Toleranz auf. „Ich kann die Deutschen aufgrund ihrer Geschichte völlig verstehen“, sagt Wal-Mart-Vizepräsident Ray Bracy, dessen Einzelhandelskonzern rund 13.000 Menschen zwischen Rhein und Oder beschäftigt. Er glaube nicht, dass der politische Streit über den Irakkrieg nachhaltige Auswirkungen auf den Handel habe. Sorgen bereite ihm eher die deutsche Wirtschaftspolitik. „Arbeitsmarkt und Steuerrecht müssen reformiert werden. Wenn die Strukturen so verkrustet bleiben, gehen wir lieber nach Osteuropa.“
So musste sich Clement rege bemühen, die versammelten Wirtschaftsführer davon zu überzeugen, dass Deutschland allen Unkenrufen zum Trotz wandelbar sei. Im Gepäck hatte er zwei Angebote: Die Importschranken für gentechnisch veränderte Lebensmittel sollen in der EU fallen, wenn es nach ihm geht – hier dürfte das letzte Wort mit dem grünen Koalitionspartner aber noch nicht gesprochen sein. Deutsche Firmen seien zudem bereit, beim Wiederaufbau im Irak zu helfen. Schwer vorzustellen, dass US-Politiker dieses Angebot freudig annehmen.