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Archiv-Artikel

Direktzugang zum Verbraucher

betr.: „Medien wollen mit Medizin mehr verdienen“, taz vom 11. 12. 08

Am 11. 12. hat die EU-Kommission nun doch das umstrittene Pharmapaket mit der Lockerung des Direktwerbeverbotes für rezeptpflichtige Arzneimittel abgesegnet. Damit bekommt die Pharmaindustrie erstmalig unter dem Deckmantel der Patienteninformation, wenn auch eingeschränkt, Direktzugang zum Verbraucher. Gegen das einmütige Votum nahezu aller europäischen Gesundheitsakteure und Verbraucherverbände, die sich im vorausgegangenen Konsultationsprozess gegen die Direktive ausgesprochen hatten. (Auch die deutsche Gesundheitsministerin und die EU Kommissarin für Gesundheit und Verbraucherschutz standen der Gesetzesinitiative ablehnend gegenüber.) Wieder einmal hat sich die Pharma- und Verlegerlobby und deren Sprachrohr Verheugen durchgesetzt.

Die Logik der Argumente gegen die Initiative ist einfach: Die Industrie kann wegen ihres offensichtlichen und unvermeidbaren Interessenkonfliktes keine Quelle verlässlicher und unvoreingenommener Information sein. Die Beispiele von Fehlinformation, Manipulation von Studienergebnissen, Unterdrückung bzw. Nichtpublizierung negativer Ergebnisse, auch gegenüber Ärzten und Zulassungsbehörden, sind unzählig und gut dokumentiert.

Was wir brauchen, sind relevante unabhängige, vergleichende und unvoreingenommene Informationen über Gesundheit, Behandlungen und Medikamente und nicht die „Ausbildung von Markenloyalitäten“ (so die NGO Health Action International) auf Kosten von erschwinglichen Medikamenten (z. B. Generika) für die Allgemeinheit. (Auch eine Kontrolle der verbreiteten Information durch die Behörden wird da nur wenig ändern, wo sie schon heute bei Verstößen, wie Buko-Pharmakampagne nachgewiesen hat, kaum funktioniert.) Auf was müssen wir uns einstellen, wenn EU-Parlament und Europäischer Rat die Direktive nicht stoppen? Einseitige Information, höhere Medikamentenpreise und Krankenkassenbeiträge (durch höhere Marketingkosten und eine absehbare Zunahme der Verordnung hochpreisiger patentgeschützter Medikamente). Dies geht zulasten der Gesundheit und nicht medikamentengestützter Behandlungsverfahren. DIETER LEHMKUHL, Berlin

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