: Warten auf das Nichts
In der Ausstellung „Eins zur Zeit“verarbeiten Künstlerinnen sieben Tage im Altersheim
Auf weiße Laken gebettet, bleiben am Ende nur riesige Augen, die schon aus der anderen Welt des Bewusstseins berichten. Christiane Lüdtkes Zeichnungen „Hinter jeder Tür ein anderes Leben“ zeigen am konkretesten, wie sich alte Menschen auf ausgemergelte Körper reduzieren und zwischen Leben und Tod festhängen.
Fünf Künstlerinnen gingen im Januar für eine Woche in verschiedene Hamburger Alten- und Pflegeheime, um sich mit den „Prozessen des Alterns“ zu konfrontieren. Wie die Demenz zum kompletten Verlust der Identität führt, lässt sich eindringlich an den Videoarbeiten von Utta C. Off nachfühlen. „Das einzig Lebendige an demenzkranken Menschen ist ihr Mund“, stellte sie fest und filmte nur diesen Körperteil bei der Nahrungsaufnahme oder beim Brabbeln sinnentleerter Sätze, in die plötzliche Erkenntnisse hinein stürzen, wie der „Ich bin so blöd und kann nichts dafür“ einer über achtzigjährigen Frau.
Als Ort der Ausstellung fanden die Künstlerinnen denkbar beste Räume. Sie nutzen die komplette Etage eines leer stehenden Bettenhauses im Alten - und Pflegeheim von „pflegen & wohnen“ in Bahrenfeld mit 18 Zimmern. Infrastruktur und Mobiliar waren noch vorhanden, sodass Utta C. Off ihre Videos in die Schränke integrieren konnte.
Dorothea Koch zum Beispiel baute aus den Schränken eine im Spiegel des Jenseits drohende Gruft. Auch Gudrun Löbig verwendete das Inventar eines komplett eingerichteten Einzelzimmers, um durch Beschriftungen aller Gegenstände und ihrer Funktionen seinem Bewohner Orientierung zu geben.
Eine Dokumentation als work in progress startete Sabine Kullenberg, indem sie Porträts der Hände von alten Menschen fotografierte, die – viel mehr als Gesichter – etwas über Alter und Schicksal preisgeben. Verdammt, die Hände in den Schoß zu legen oder orientierungslos über die Flure zu geistern, scheint – dies demonstrieren die Werke – oft das Einzige zu sein, was Menschen im durchschnittlichen Altersheim bleibt. Diesen immer gleichen, eintönigen Tagesablauf beschreibt sehr treffend eine Toninstallation von Dorothea Koch: „Aufstehen, anziehen, blauer Pulli, der Tee, Schwarzbrot, das Fleischröllchen, das Sitzen, der Flur, das Sitzen.“ Entlang der Flurwände stehen punktuell fein aufgereiht Schuhe – als seien die Bewohner nur kurz zum Spielen ausgeflogen. Lisa Monk
Fr–So 14–18 Uhr, Führung: jeden So, 15 Uhr. Am 1. Juni ab 15.30 Uhr werden die Filme „Rebecca webt“ und „Damen und Herren ab 65“ gezeigt. Am 28. Juni um 18 Uhr gibt es zwei Performances. Alten- und Pflegeheim „pflegen & wohnen“, Bettenhaus 10, Holstenkamp 119; bis 13.7.