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: Die Streitpunkte bleiben

Geschickt und unauffällig hat der Ratspräsident der Europäischen Union, Bertie Ahern, in den letzten drei Monaten seinen Kompromiss für die Europäische Verfassung vorbereitet. Das allein hätte kaum gereicht, um es dem Iren zu ermöglichen, die Früchte seiner Arbeit noch während seiner Ratspräsidentschaft zu ernten. Zum Durchbruch verhalfen dem Verfassungskompromiss erst der Regierungswechsel in Spanien und der Zerfall der Partei „Demokratische Linke“ des polnischen Ministerpräsidenten Leszek Miller in der Nacht zum Freitag. Damit ist der hartnäckigste Gegner eines Verfassungskompromisses deutlich geschwächt.

KOMMENTAR VON DANIELA WEINGÄRTNER

Spätestens beim EU-Sommergipfel am 17. Juni wird die Verfassung der Europäischen Union also aus der Taufe gehoben werden. Optimisten rechnen inzwischen sogar mit einem Verfassungssondergipfel am 9. Mai, dem Europatag. Das könnte rechtzeitig vor der Wahlen zum Europäischen Parlament für ein wenig Aufbruchsstimmung sorgen.

Aber: In der Erleichterung, die sich jetzt breit macht, wird vergessen, dass noch längst nicht alle Verfassungsstreitpunkte aus der Welt geschafft sind. Selbst wenn alle Regierungschefs Aherns Kompromiss bei der doppelten Mehrheit zustimmen, bleibt doch die eigentliche Grundfrage weiter offen: Eine griffige, leicht nachvollziehbare Formel für Mehrheitsabstimmungen nutzt wenig, wenn doch weiterhin die Schlüsselthemen der europäischen Politik einstimmig entschieden werden müssen.

Wenn Irland demnächst seinen Verfassungskompromiss vorlegt, wird man folglich das klein Gedruckte lesen müssen: In welchen Bereichen gilt weiter das Prinzip der Einstimmigkeit, mit dem ein einziges Land mit seinem „Nein“ alle anderen blockieren kann? Erhält das Parlament ein umfassendes Haushaltsrecht mit echten Kontrollmöglichkeiten? Wird die Sitzverteilung im Europaparlament neu diskutiert? Oder wird der ursprüngliche Vorschlag des Konvents beibehalten?

Bereits der Entwurf, den die Versammlung unter dem Vorsitz von Valérie Giscard d’Estaing im vergangenen Sommer vorgelegt hatte, war ein Kompromiss, der viele Europa-Enthusiasten enttäuschte. Wenn daraus unter dem Erfolgsdruck der Ereignisse von Madrid und Warschau ein weiterer kleinster gemeinsamer Nenner gebastelt würde, wäre nichts gewonnen.

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