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Archiv-Artikel

Norwegen steht jetzt auf der Abschussliste

Al-Qaida droht mit Anschlägen gegen das skandinavische Land. In Oslo wird noch über die Gründe spekuliert

STOCKHOLM taz ■ Für den irakisch-norwegischen Schriftsteller Walid al-Kubaisi kommt es nicht unerwartet: „Das ist das Resultat der norwegischen Kriegsführung in Afghanistan.“ Dass die Beteiligung norwegischer Truppen in Afghanistan und ein kürzlicher Bombenangriff auf vermutete Talibanstellungen ein Grund sein könnte, warum sich Norwegen bei al-Qaidas Anschlagdrohungen an der Seite der USA, Großbritanniens und Australiens findet, war nur eine Theorie, seit die Rede von Ayman al-Zawahri bekannt wurde.

Die Annahme, bei al-Qaida habe man einen ungenauen Atlas zur Hand genommen und den mit der Irakkriegskoalition aktiven Nachbarn Dänemark gemeint, wurde ad acta gelegt. Ayman al-Zawahri weiß bei Skandinavien, wovon er redet. Der Ägypter hat persönliche Verbindungen zu Dänemark: In den Neunzigerjahren erschien ein von ihm herausgegebener Nachrichtendienst der Mudschaheddin-Bewegung unter einer Kopenhagener Postfachadresse. Daher drehen sich jetzt die meisten Erklärungsversuche um die Rolle Norwegens im Nahostkonflikt. Mit dem Oslo-Abkommen profilierte sich das Land als Vermittler im Israel-Palästina-Konflikt, hat aber in der arabischen Welt den Ruf, israelfreundlich zu sein. Jahrelang bewegten sich Agenten des Geheimdienstes Mossad in Norwegen relativ frei und verübten dort Attentate gegen vermutete Hintermänner von Anschlägen gegen Israel.

Als Erdölförderland ist Norwegen über verschiedene Firmen in wirtschaftliche Aktivitäten auf der arabischen Halbinsel verwickelt, die al-Qaida stören könnten. Hierfür könnte die Formulierung in Ayman al-Zawahri Rede sprechen: „die in unseren Ländern leben, unsere Reichtümer ausnutzen und Korruption verbreiten“. Sollte die Verhaftung und drohende Ausweisung des in Norwegen lebenden Führers von Ansar al-Islam, Mullah Krekar, hinter der Drohung stehen, würde dies auf Verbindungen zwischen dieser im irakischen Kurdistan operierenden Gruppe und al-Qaida hindeuten.

Das akuteste Bedrohungsszenario lautete, dass die Erwähnung Norwegens ein Signal al-Qaidas an eine im Lande aktive Gruppe gewesen sein könnte, loszuschlagen. Oslo hat die Bewachung seiner diplomatischen Vertretungen verstärkt und auch einheimische Firmen dazu aufgefordert. Aus Dubai berichtete der Pfarrer der dortigen norwegischen Seemannskirche: „Ich habe die Flagge eingezogen und die Schilderbeleuchtung ausgeschaltet, um nicht zu provozieren.“ REINHARD WOLFF