: Bündnisgrüne wollen Chancen für alle
Noch ein regierungsparteiliches Positionspapier: Jeder Langzeitarbeitslose soll ein Arbeitsangebot erhalten
BERLIN taz ■ Es war kein Zufall, dass die grüne Fraktionsspitze gerade gestern ein Positionspapier zur Arbeitslosigkeit vorstellte. Schließlich findet ab morgen der grüne Perspektivkongress „Soziale Sicherungssysteme“ in Düsseldorf statt – und dort ist mit massiver Kritik der Linken zu rechnen, die die Kürzungen bei den Arbeitslosen ablehnen. Also versprachen die grüne Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt und die grüne Arbeitsmarktexpertin Thea Dückert gestern „Chancen für alle“, so der Titel ihres Positionspapiers. Jeder Langzeitarbeitslose soll ein Angebot erhalten. Man möchte nicht nur „fordern“, indem man die staatlichen Leistungen kürzt – sondern auch „fördern“.
Allerdings sollen sich die Arbeitslosen ganz wesentlich selbst fördern: Man will die Eigeninitiative stärken. Nicht alle vorgeschlagenen Maßnahmen sind jedoch neu. So sind die „Ich-AG“ oder das Überbrückungsgeld längst Gesetz.
Neu ist hingegen ein Teil der Anreize, die die Grünen vorsehen. Übernimmt ein Arbeitsloser etwa eine ehrenamtliche Tätigkeit, dann soll sein staatlicher Beitrag zur Rentenversicherung steigen. Auch Aufwandsentschädigungen würden bis zu einer Höhe von 200 Euro nicht auf das Arbeitslosengeld II angerechnet – falls das Ehrenamt vollberuflich ausübt wird. Anderes Beispiel: Wer aus dem eigenen Vermögen eine Trainingsmaßnahme finanziert, soll dafür nicht auch noch bestraft werden. Dieser Teil des Ersparten würde daher nicht bei der Gewährung des Arbeitslosengelds II berücksichtigt.
Wer jedoch trotz Eigeninitiative keine Beschäftigung findet, für den greift die „Initiative Job-Center“. Auch dieser Vorschlag ist nicht neu, sondern bereits Teil der Hartz-Reformen für den Arbeitsmarkt. Neu ist allerdings, dass die Grünen die Selbstverwaltung der Arbeitsämter stark verändern wollen. Bisher waren dort neben dem Staat nur die Gewerkschaften und Arbeitgeber vertreten, jetzt will man den Kreis stark erweitern: In den neuen „Beiräten“ sollen unter anderem auch „bekannte Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“, örtliche Unternehmer und Erwerbslose sitzen. Die Jobcenter sollen weitgehend selbstständig agieren und eine „verordnungsfreie Zone“ sein, die nicht mehr von der Zentrale in Nürnberg ferngesteuert wird. Mit dem zuständigen Arbeitsminister Wolfgang Clement (SPD) sind diese Vorschläge bisher nicht abgestimmt.
Göring-Eckart und Dückert „glauben nicht mehr an die klassische Vollbeschäftigung“. Dennoch vertrauten sie gestern darauf, dass ihre Maßnahmen eine solche „Dynamik“ erzeugen, dass immer mehr Menschen zurück in den ersten Arbeitsmarkt finden. ULRIKE HERRMANN
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