krankenmorde der nazis
: Gasmordanstalt wird zu Gedenkort

Elvira Hempel stand schon vor der Gaskammer. Die Wachmannschaften trieben die Neunjährige und andere angeblich geisteskranke Kinder an. Ausziehen für den „Inhalierraum“, lautete der Befehl. Weil Elvira ihre Kleidung ordentlich hinlegte, schien sie selbst den Nazis nicht „lebensunwert“ zu sein, und sie schickten das Kind nach Hause. So entkam das Mädchen der ersten Gasmordanstalt des NS-Regimes, die 1940 im alten Zuchthaus von Brandenburg/Havel in Betrieb ging. 9.000 Kranke und Behinderte wurden hier ermordet; im ganzen Reich gab es während der Hitler-Diktatur 300.000 „Euthanasie“-Opfer.

„Nur wenige entkamen“, sagt Astrid Ley von der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten. Vom nächsten Jahr an soll am authentischen Ort in Brandenburg/Havel eine Gedenkstätte aufgebaut werden. „Von den sechs Orten, an denen zentral gesteuert die Nazis Krankenmorde verübten, ist Brandenburg der einzige ohne aktive Gedenkstätte“, beklagt Ley, bei der Stiftung für den Bereich der „Euthanasie“-Verbrechen zuständige wissenschaftliche Mitarbeiterin. Die Pläne für einen Gedenkort gibt es schon lange. Zu DDR-Zeiten wurde eine Gedenktafel angebracht, mittlerweile existiert auch eine von der Stadt errichtete Ausstellung unter freiem Himmel.

Nur zögerlich habe die Stadt als Eigentümerin der Fläche ihre Verantwortung in vollem Umfang anerkannt, sagt Gedenkstättendirektor Günter Morsch. „Nun zieht sie aber mit uns an einem Strang.“ Fördergelder über 600.000 Euro von Land und Bund sind beantragt, und Morsch ist zuversichtlich, dass im nächsten Jahr mit der Sanierung eines original erhaltenen einstigen Werkstattgebäudes, das in der Nähe der Gaskammer lag, begonnen wird. „In einem ersten Schritt soll darin eine Ausstellung über die Opfer der Krankenmorde entstehen.“ Vor Ort soll aber auch einmal an die Themen Justizunrecht in der Havelstadt zur NS-Zeit und während der DDR erinnert werden.

Zunächst einmal konzentriert man sich auf die Opfer der verharmlosend „Euthanasie“ (Gnadentod) genannten Mordaktionen der Nazis an psychisch Kranken und geistig Behinderten. In der ersten, zentral gesteuerten Phase von Januar 1940 bis August 1941 wurden 70.000 Patienten in deutschen Heil- und Pflegeanstalten umgebracht. Die Opfer dieser als Aktion T4 bekannten Krankenmorde – die Verwaltung saß an der Berliner Tiergartenstraße 4 – wurden in sechs hierfür umgebauten Tötungsanstalten mit Kohlenmonoxid erstickt. In Brandenburg/Havel hieß das Gelände „Landesheilanstalt“. DPA