: Nicht alles ist nett an Europas Zukunft
Während kaum jemand Fehl zu finden scheint an der geplanten europäischen Verfassung, listen Friedensgruppen auf einem Kongress die dunklen Seiten des Entwurfs auf. Umstritten sind vor allem die Einsätze der 60.000 Soldaten
FRANKFURT/MAIN taz ■ Rechtszeitig zum Eurogipfel in Brüssel beschäftigte sich am Sonnabend auch die Friedensbewegung im Rahmen einer Konferenz in Frankfurt mit dem Verfassungsentwurf für die erweiterte Europäische Union (EU). Und das Fazit aller bedeutenden Friedensgruppen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) – von der immer noch altertümlich betitelten DFG-VK, der Deutschen Friedensgesellschaft–Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen, über Pax Christi bis zu Attac – fiel vernichtend aus.
Der Verfassungsentwurf sei in Teilen ein „militaristischer“. Die Realisierung einer 60.000 Soldaten starken „schnellen Eingreiftruppe“ der EU werde darin ebenso festgeschrieben wie auch die „Bekämpfung des Terrorismus auf dem Hoheitsgebiet von Drittstaaten“. Und der Verfassungsentwurf torpediere die Rechte der europäischen Parlamentarier, weil in ihm festgeschrieben werde, dass zukünftig nur der Ministerrat über militärische Einsätze der EU entscheiden soll und das EU-Parlament von jeder Mitsprache ausgeschlossen bleibe. Das tangiere auch die Rechte des Bundestages, so die Schlussfolgerung von Rüdiger Busch vom gastgebenden DFG-VK, denn Beschlüsse des Ministerrates, dem schließlich auch die jeweilige Bundesregierung angehöre, würden in der Praxis sicher kaum noch von den die Bundesregierung tragenden Fraktionen aufgehoben werden. Ohnehin könnten sich die Bundestagsabgeordneten – wenn es einmal „Spitz auf Knopf“ stehen sollte – nur gegen die Beteiligung von Bundeswehrsoldaten an einem einmal beschlossenen militärischen Einsatz der EU aussprechen, den Einsatz selbst aber nicht verhindern.
Als „politisch geradezu unanständig“ werteten die rund 50 Vertreter der Friedensbewegung und der NGOs auch den Artikel III-282 des Verfassungsentwurfs, in dem die gerichtliche Kontrolle von Beschlüssen des Ministerrates im Bereich der Sicherheits- und auch der Außenpolitik ausgeschlossen werde. Die EU verabschiede sich damit von den Grundsätzen der parlamentarischen Demokratie und der rechtsstaatlichen Kontrolle, so Peter Becker von der International Association of Lawyers against Nuclear Arms (Ialana). Kritisiert wurde auch das angeblich vor allem von der Rüstungsindustrie gewollte und im Verfassungsentwurf festgeschriebene „Europäische Amt für Rüstung, Forschung und militärische Fähigkeiten“. Dessen umgehende Eliminierung aus dem Entwurf forderten alle auf dem Kongress vertretenen Organisationen. Im Gegenzug empfahlen sie die Konzentration auf die im Verfassungsentwurf enthaltene Verpflichtung der EU zur „Förderung des Friedens“. Hierfür seien die Mittel bereitzustellen, die für das „Rüstungsamt“ vorgesehen seien.
„Verbündete“ hätten sie nur ganz wenige in Brüssel, räumten die Organisatoren des Kongresses am Nachmittag ein. Grüne und auch Sozialdemokraten hätten den Entwurf „ohne jeden Widerstand geschluckt“. Eine Debatte darüber sei jedenfalls von der Politik nicht initiiert worden. Die Friedensfreunde und die NGOs hoffen, dass diese jetzt beginnt.
KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT