: Fein-Tuning für die Abschiebung
Die Ausweisung „gefährlicher“ Ausländer ist schon heute problemlos möglich, sagen Praktiker. Nur am Tempo lässt sich ein bisschen mehr schrauben
VON CHRISTIAN RATH
Die Sicherheitsdiskussion dreht sich momentan vor allem ums Ausländerrecht. „Kann man terrorverdächtige Ausländer schnell genug abschieben?“ ist die zentrale Frage. Die Antwort lautet schon heute: Ja.
Ausweisung heißt, dass das Aufenthaltsrecht eines legal hier lebenden Ausländers beendet wird. Das ist bisher schon relativ leicht möglich, etwa wegen einer strafrechtlichen Verurteilung. Ebenso genügen Drogenkonsum oder die Angabe falscher Personaldaten bei der Einreise.
Mit Blick auf die Terrordiskussion sind vor allem zwei relativ ähnliche Ausweisungsgründe relevant. Demnach kann heute schon ausgewiesen werden, wer (erstens) eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung darstellt oder (zweitens) terroristische Organisationen oder ihre Unterstützer unterstützt. In beiden Fällen halten Praktiker wie Günter Renner, Vorsitzender Richter am Hessischen Verwaltungsgerichtshof, die Formulierung für so weit gefasst, dass potenzielle Terroristen oder Unterstützer bereits auf dieser Grundlage ausgewiesen werden können. Die Änderungsvorschläge der Union seien „überflüssig“ und unterschieden sich von der aktuellen Rechtslage kaum.
Dass es tatsächlich kaum Ausweisungen von Islamisten gibt, hat verschiedene Gründe. Zum einen behalten Polizei und Geheimdienste ihre Beobachtungsobjekte gerne im Land. So hoffen sie auf bessere Erkenntnisse, als wenn sich gefährliche Leute in Pakistan frei bewegen können. Manchmal spielen auch familiäre Bindungen oder die Dauer des Aufenthalts in Deutschland eine Rolle. Völlig abschaffen kann man den Schutz für Ausländer, die mit einem deutschen Ehegatten verheiratet oder hier geboren sind, jedoch nicht, weil Verfassungsrechte entgegenstehen. Und der Vollzug der Ausweisung – die Abschiebung – ist blockiert, wenn dem Ausländer im Heimatland ein unfairer Prozess, Folter oder Todesstrafe droht. Dies beruht auf völkerrechtlichen Verträgen.
Unklar ist, wie viele Ausländer eigentlich aus Sicherheitserwägungen ausgewiesen werden sollten. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) sprach jüngst von bis zu 3.000 Menschen. Dabei sind wohl auch die Mitglieder von verbotenen extremistischen Organisationen mitgezählt. Die Fälle mit Terrorrelevanz dürften deutlich geringer sein. Hierzu hat Beckstein vor einigen Wochen eine Liste mit zwanzig Namen aus seinem Bundesland vorgelegt. Dieter Wiefelspütz, der innenpolitische Sprecher der SPD, hat die Liste geprüft. „Da ist kein einziger Fall dabei, wo ein Gericht gesagt hat, wir können aufgrund der Rechtslage nicht ausweisen.“ Er hält die aktuelle Diskussion um die Verschärfung des Ausweisungsrechts deshalb für „aufgebauscht“.
Rot-Grün will deshalb nur das Verfahren bis zur Abschiebung ändern. Wenn die nationale Sicherheit betroffen ist, sollen künftig nicht mehr die Länder entscheiden, sondern das Bundesinnenministerium. Die Entscheidung über Ausweisung und Abschiebung soll zudem laut Berliner Zeitung zu einer „Abschiebungsanordnung“ zusammengelegt werden. Die Überprüfung würde in erster Instanz beim Bundesverwaltungsgericht erfolgen. Damit würde der Rechtsweg verkürzt. Nach Informationen der Süddeutschen Zeitung wird allerdings schon heute bei 98 Prozent aller Ausweisungen Sofortvollzug angeordnet. Der Ausländer hat dann nur noch Eilrechtsschutz. Wenn er dort verliert, muss er das Hauptsacheverfahren aus dem Ausland betreiben. Wiefelspütz geht es beim rot-grünen Vorschlag daher nicht um eine Beschleunigung des Verfahrens. Vielmehr habe das Innenministerium eine bessere Informationslage. Die Länder bestreiten das.
Wiefelspütz legt Wert darauf, dass dieses Verfahren nur für „Einzelfälle mit Terrorbezug“ gelten soll, nicht für bloße Extremisten. Außerdem soll der Ausländer während des Verfahrens vor dem Bundesverwaltungsgericht im Land bleiben, notfalls in Abschiebehaft. Das Innenministerium will in das Verfahren auch die Parlamentarische Kommission für die Geheimdienstkontrolle einbeziehen. Dies legt den Schluss nahe, dass die Leipziger Richter Geheimdienstinformationen nicht überprüfen könnten. Ohne Grundgesetzänderung wäre dieses Vorhaben nicht zu verwirklichen.
Wenn das Gericht am Ende eine Abschiebung ausschließt, bleiben die vermeintlich gefährlichen Ausländer in Deutschland. Für diesen Fall wurden am Wochenende erneut Sicherheitsmaßnahmen diskutiert. Über verschärfte Meldeauflagen haben sich Regierung und Opposition bereits verständigt. Beckstein will den Betroffenen verbieten, mit Prepaid-Handys zu telefonieren, um die Telefonüberwachung sicherzustellen. Otto Schily (SPD) stellte sogar eine Sicherungshaft für solche Ausländer zur Diskussion.