: Raster-Rufen ohne Resonanz
Während Innenminister Schily (SPD) sogar den europaweiten Datenabgleich fordert, um „Schläfer“ zu fassen, lehnen Landespolitiker ab: Niedersachsens Ministerpräsident Wulff (CDU) fordert „neue Mechanismen“ im Kampf gegen den Terror
aus HannoverKai Schöneberg
Student, arabischstämmig, Flugschüler – wenn es nach Innenminister Otto Schily (SPD) ginge, würden nach solchen Kriterien demnächst sogar europaweit Datensätze von Universitäten, Krankenkassen oder Behörden gerastert. Dabei winken Landespolitiker wie Niedersachsens Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) ab: Bei der Suche nach terroristischen „Schläfern“ helfe „auch Rasterfahndung ganz offenkundig nicht“, sagte Wulff in einem Interview mit dem Deutschlandfunk. Damit stellte er sich auch gegen Bayerns Innenminister Günter Beckstein, der Schilys Pläne ausdrücklich begrüßt hatte.
Unauffällig lebende Terroristen, die auch für das Attentat in Madrid verantwortlich gemacht werden, seien „ein ganz neuer Tätertypus“, betonte Wulff. „Die kommen nicht in polizeiliche Register und in irgendwelche Datensysteme“, sagte der Ministerpräsident. Sie würden eben nur „einmal kriminell, aber dann so schwerwiegend, dass die gesamte zivilisierte Welt – wie in New York, wie in Madrid – herausgefordert ist“, so Wulff.
Sein Innenminister Uwe Schünemann (CDU) hatte vor kurzem nicht ausgeschlossen, dass die Rasterfahndung wieder zum Einsatz komme: „Wenn es notwendig ist, muss man dieses Instrument auch einsetzen“, sagte Schünemann nach den Anschlägen in Spanien. Der Erfolg der Rasterfahndung – ein Fahndungsinstrument aus RAF-Zeiten – nach den Attentaten von New York war umstritten. Das Landeskriminalamt in Niedersachsen hatte nach dem 11. September 2.700 Datensätze zum Abgleich an das Bundeskriminalamt weitergegeben, sein Bremer Pendant 660 – ohne Ergebnis.
Innenminister Schily hingegen hatte behauptet, das Rastern habe in Deutschland „eine Reihe von Anschlägen“ verhindert, war aber gleichwohl konkrete Hinweise schuldig geblieben. Wulff favorisierte indes „neue Mechanismen“ zur Ergreifung von Terroristen. „Eine bessere Koordination“ der Sicherheitsbehörden sei nötig. Vor allem plädierte Wulff aber für die Videoüberwachung, „sobald irgendwelche Anhaltspunkte da sind, dass sich Menschen irgendwo bewegen, die in al-Qaida-Ausbildungscamps in Afghanistan gewesen sind“. Allerdings sei die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum großen Lauschangriff, „nicht sehr ermutigend“. Die Karlsruher Richter hatten die Maßnahme Anfang März deutlich eingeschränkt und den Schutz von Privaträumen gestärkt.
Konsequenzen aus dem Urteil fordert indes der grüne Innenpolitiker Hans-Albert Lennartz. Er wolle im April im Landtag auf die Korrektur des gerade verschärften niedersächsischen Polizeigesetzes hinwirken, kündigte Lennartz an. Weiter bezweifelte er, dass man mit den angekündigten Maßnahmen tatsächlich „Schläfer“ zu fassen imstande sein werde: „Der Öffentlichkeit wird durch diese Instrumente nur suggeriert, dass man in der Lage ist, der Terroristen habhaft zu werden.“