Graf Zahl stoppte RWE Konzern

Die Gelsenwasser AG hätte gut ins Depot von RWE gepasst, doch falsche Berechnungen der eigenen Finanzlage verhinderten den Kauf. Jetzt ist der NRW-Wassermarkt wieder fest in kommunaler Hand

VON PETER ORTMANN

Obwohl der Essener RWE Konzern mit der englischen Tochter Thames Water das drittgrößte Unternehmen der Wasserversorgungsbranche weltweit besitzt, ist er in der heimischen Region ein Niemand. Die neue Fünf-Finger Unternehmensstruktur mit dem Anspruch, den heimischen Kunden die komplette Energieversorgung aus einer Hand liefern zu wollen, hat die Gicht bekommen. Gerade auf dem Zukunftsmarkt Wasserversorgung wurden wohl eklatante Fehler in der Konzernspitze begangen.

Viele Entscheidungsträger bei RWE verstehen bis heute nicht, warum die Gelsenwasser AG, mit 5,3 Millionen Kunden der größte private Wasserversorger in Deutschland, im letzten Jahr nicht gekauft wurde. Mit der schwierigen Finanzlage des Konzerns, angeblich hatte RWE 25 Milliarden Euro Schulden, wurde im letzten Sommer der überraschende Ausstieg aus dem Bieterverfahren begründet. Doch nur ein schlichter Rechenfehler soll zu dieser Konzern-Entscheidung geführt haben. Die Spitzenmanager hätten damals ihre eigenen Nettofinanzschulden um 3 Milliarden Euro zu hoch berechnet, erfuhr die taz. Indiz dafür ist zusätzlich der enorm schnelle Schuldenabbau in 2003 auf 17,8 Milliarden Euro zum Jahresende. Das Engagement bei Gelsenwasser hätte locker bezahlt werden können. Den Rechenfehler wollte RWE-Sprecher Harald Fletcher nicht bestätigen, offiziell gilt noch der hohe Preis des Gelsenkirchener Wasserversorgers als Hinderungsgrund.

Die Wasserversorgung der Region ist damit wieder fest in kommunaler Hand. Das 95 Prozent-Gelsenwasser-Paket kauften die beiden Stadtwerke aus Bochum (SWB) und Dortmund für 835 Millionen Euro von E.ON. E.ON musste sich wegen der Ruhrgas-Fusion aus kartellrechtlichen Gründen von Gelsenwasser trennen. „Für eine echte Re-Kommunalisierung der Wasserwirtschaft gegen die Privaten“, sagte Thomas Schönberg von der SWB. Die kommunalen Versorger gründeten anschließend den Gesellschafterkreis der Wasser und Gas Westfalen GmbH (WGW) und gingen auf die Suche nach Partnern. Der RWE bleibt in NRW nur die Rheinisch-Westfälische Wasserwerksgesellschaft mit Sitz in Mülheim. Insider spekulieren bereits über den Verkauf.

In der letzten Woche wurde die WGW bei der Partnersuche fündig. Die beiden kommunalen NRW-Wasserverbände Emschergenossenschaft und Ruhrverband sollen mit rund 44 Prozent Minderheitsgesellschafter bei Gelsenwasser werden. Mit einsteigen werden auch die Stadtwerke in Krefeld und pikanterweise Essen. Damit bekommt die WGW Zugriff auf die heimischen Talsperren und auf die Abwasserentsorgung und -reinigung durch die Emschergenossenschaft, dem ältesten Wasserwirtschaftsverband in Deutschland.

Für die Unternehmensstrategie der Essener Versorger ist die Beteiligung der kommunalen Wasserverbände eine zusätzliche Katastrophe. Auf sehr lange Zeit werden sie in auf dem heimischen Wassermarkt kein Bein mehr auf die Erde bringen. Kostenstrategische Synergien zwischen dem Strom-, Gas- und Wassermarkt wird es hier nicht geben. Die Angebotspalette mit der Option, für den Kunden alles aus einer Hand liefern zu können, ist ausgetrocknet.