„Bremen braucht Signale des Aufbruchs“

Gerhard Augustin über seine neue Rolle in der Bremer Kulturpolitik, die „dringend notwendige“ Bündelung von Ressourcen und die Bedeutung der Außendarstellung: „Ich sehe mich als Lobbyisten des guten Geschmacks.“ Steht der Posten von Kulturstaatsrätin Elisabeth Motschmann zur Disposition?

Augustin: „Es ist hier ja schon sehr viel versucht worden. Aber immer mit einer gewissen Mittelmäßigkeit“

Perschau, Motschmann, Plagemann, die beiden Hellers: Bremen hat viele Kulturhäuptlinge. Nun aber soll ein Mann mit internationalem Hintergrund für den richtigen Drive in der Bremer Szene sorgen. Morgen wird der Musikmanager Gerhard Augustin zum „Staatskommissar für Kultur und Medien“ ernannt.

taz: Für große Teile der Öffentlichkeit kommt Ihre Ernennung überraschend. Warum die Geheimnistuerei?

Gerhard Augustin: Manchmal ist es sinnvoll, gewisse Weichenstellungen intern zu diskutieren – das scheint im politischen Geschäft nicht anders zu sein als in der Branche, aus der ich komme. Auch die Erfahrungen bei der Ernennung des ebenfalls parteilosen Finanzsenators Nußbaum haben gezeigt, dass die politische Platzierung so genannter Quereinsteiger einer gewissen Ruhe bedarf. Sonst provoziert man Querschüsse von interessierter Seite.

Hinter Ihrer Aktivierung steht offenbar die Einsicht, dass die mit der „Kulturhauptstadt“ angesteuerte europäische Dimension nur ein Zwischenstopp auf dem Bremer Weg nach oben sein kann.

Wenn Henning Scherf schon als Bundespräsident nach Berlin gehen sollte, muss auch vor Ort eine entsprechende Qualität vorgehalten werden. Aber Spaß beiseite: Für Bremen wird es in den nächsten Jahren in der Tat darum gehen, den endlich eingeschlagenen Weg der Entprovinzialisierung konsequent fortzusetzen. Und da war man der Meinung, dass meine außerhalb Bremens gesammelten Erfahrungen hilfreich sein könnten.

Das scheint darauf hinauszulaufen, dass Bremen sich als eine Hauptstadt des Pop und Rock positionieren soll.

Da allerdings muss ich Sie enttäuschen – diesbezüglich hat die Stadt keinerlei Chance. Denken Sie da lieber an London, Liverpool oder auch nur Hamburg.

Mit solchen Statements machen Sie sich hier aber nicht sehr beliebt.

Ich habe mich immer als Bremer gefühlt, aber man muss den Menschen auch die Wahrheit sagen. Und die lautet: Der Prinz, der Bremen wirklich wachküsst, muss erst noch geboren werden. Da kann auch ich nur den Anfang machen.

Und wie machen Sie den?

Ich sehe mich als einen Lobbyisten des guten Geschmacks, der den Leuten unmissverständlich klarmacht, welche Qualitäten diese Stadt anzubieten hat. Es ist hier ja schon sehr viel versucht worden, aber immer mit einer gewissen Mittelmäßigkeit. Man darf nach Außen nicht das Gefühl vermitteln, dass man als Bremer auf einer Insel lebt, die man nur per Fähre erreichen kann. Wir müssen eine Brücke bauen, die von der ganzen Welt frequentiert werden kann.

Was heißt das konkret?

Nehmen wir den Spacepark. Eigentlich eine fantastische Idee, aber im Moment ist das ein Ort der Meditation. Warum macht man keinen Wettbewerb unter Jung- und Altfilmern zum Thema: „Bremen hebt ab“?

Bleiben wir auf dem Boden der Kulturpolitik. Dem Vernehmen nach war insbesondere die Staatskanzlei daran interessiert, Sie für den neu geschaffenen Posten zu gewinnen. Lassen Sie sich für die Entmachtung des CDU-geführten Kulturressorts instrumentalisieren?

Wie jeder weiß, ist Scherf kein Mann der Intrige, sondern ein fairer Skatspieler. Und was mich selbst betrifft: Ich habe mein Parteibuch rechtzeitig abgegeben, um nicht in irgendwelche Abhängigkeiten zu geraten.

Worum es jetzt im Kern geht, ist die Bündelung der kulturpolitischen Ressourcen. Es war nicht länger tragbar, dass Hauptstadt-Bewerbung und städtische Kulturpolitik asynchron betrieben werden. Und dann wurde noch ein Herr Plagemann aus Hamburg engagiert, der die kulturpolitische Lage in Bremen-Nord klären soll – da kann man doch gleich noch Beauftragte für Bremen-Süd, -Ost und -West ernennen.

Ihre Tätigkeit im Musikgeschäft spielte sich zu großen Teilen in den Staaten ab, Ihre politischen Erfahrungen haben Sie auf der Ebene der UNO gesammelt. Fühlen Sie sich ausreichend gerüstet, um den lokalen Schlangengruben erfolgreich ausweichen zu können?

Wer jahrelang mit Leuten wie Burdon, Hendrix oder Udo Lindenberg samt Panikorchester durch die Welt getourt ist, ohne den Überblick zu verlieren, wird auch auf den Bremer Rathaustreppen nicht straucheln. Das wäre ja absurd.

Wie wird Ihre Zusammenarbeit mit den Herren Perschau, Plagemann etc. pp. denn aussehen?

Erstmal gehen wir gemeinsam in die Sauna, dann weiß jeder woran er ist. Nein, das war jetzt wieder ein Scherz. Derzeit haben wir diese groteske Splittung der kulturpolitischen Kompetenzen, so dass von einer Gestaltung aus einem Guss keine Rede sein kann. Aber Bremen braucht Signale des Aufbruchs.

Sie haben sich offenbar schnell an den politischen Sprach-Code gewöhnt. Was wird denn ganz konkret Ihre erste Amtshandlung sein?

Mit den bisher Zuständigen müssen zunächst intensive Einzelgespräche geführt werden, um zu klären, welche Doppelstrukturen zur Disposition stehen. Eine solche Enthäutung ist ein ganz natürlicher Prozess.

Das heißt?

Frau Motschmann beispielsweise könnte sich, nach all‘ ihren Aktivitäten in dieser Stadt, in Reichweite des wohlverdienten Ruhestandes befinden.

Als Staatskommissar sind Sie nicht nur für die Verwaltung, sondern auch bezüglich der Hauptstadt-Bewerbung weisungsbefugt. Was werden Sie diesbezüglich unternehmen?

Aufgrund meiner Kontakte erwartet man von mir jetzt spektakuläre Projekte wie Tina Turner als Aida am Goetheplatz – aber es geht um etwas viel Grundsätzlicheres: Um ein neues Bremen-Gefühl. Die Stadt hat wirklich etwas anzubieten, aber das wird hinter den Fassaden der Tradition versteckt. Es gibt hier mehr als nur Kunsthalle, Rathaus und Deutschlands größten Bürgermeister.

Und wie vermitteln Sie das der Kulturhauptstadt-Jury?

Im Grunde lautet die Devise: Nah ran an die Entscheidungsträger. Letztendlich werden einzelne Personen den Ausschlag geben, und mit denen muss man rechtzeitig Kaffee trinken – oder auch Tee. Das ist dann in der Tat eine Frage der persönlichen Überzeugungskraft.

Aus Funk und Fernsehen sind Sie als Mann der Kommunikation bekannt. Wie werden Sie auf die heterogene Bremer Kulturszene zugehen?

Ebenfalls mit einer gewissen Entschlossenheit. Im Moment haben wir die Situation, dass jeder und jede am eigenen Süppchen köchelt. Daraus muss ein richtiger Eintopf werden, wenn Sie mir dieses rustikale Bild erlauben.

Werden Sie Ihre bisherige Medienpräsenz trotz des neuen Amtes aufrechterhalten?

Also, einen neuen Fall Berlusconi brauchen Sie jetzt wirklich nicht zu befürchten, auch wenn Sie bei der taz arbeiten. Eine gewisse kommunikative Nähe zur Bevölkerung – und das schließt die eigenaktive Präsenz in den Medien ein – ist durchaus legitim und der Amtsführung dienlich.

Interview: Henning Bleyl