Bremer Frust im „Alois S.“

Werder geht am letzten Spieltag 1:4 auf dem Bökelberg unter und vergeigt die Teilnahme am UEFA-Cup-Wettbewerb. Grün-weiße Eindrücke von fern der Heimat - aus einer Berliner Kneipe

taz ■ Um 14.55 Uhr wuchtet Larry Heer den Videobeamer auf einen dunklen Holztisch, mitten in seiner Bar „Alois S.“. Unweit davon baumelt ein grün-weißer Schal über der Stuhllehne. Es ist Samstag, kurz vor Bundsliga-Anpfiff: in der Senefelderstraße, Berlin, Prenzlauer Berg.

Als immer häufiger Werder-Anhänger seine Tapas Bar aufsuchten, um dort die Bundesliga-Spiele ihres Vereins zu verfolgen, entschied sich der Südbade Heer im November 2001, via Premiere die Begegnungen des SVW zu zeigen. Seitdem läuft samstags Werder Bremen auf der 2,5 mal 2 Meter großen Leinwand. Und das hat sich herumgesprochen.

So finden sich am letzten Spieltag der Saison gut 75 Gäste zum Anpfiff ein, viele im grünen Werder-Dress. Die Exil-Bremer im “Alois S.“ hoffen auf die UEFA-Cup-Qualifikation. Doch ausgerechnet Hertha BSC Berlin sitzt der Schaaf-Elf im Nacken, nur ein Pünktchen trennen die beiden Clubs. In Larrys Bar ist der Abstand noch ein wenig enger - der Rivale steht direkt vor der Tür.

Als der Anpfiff ertönt, zeigt die Leinwand die Bielefelder Alm. “Wieso kein Werder?“, kreischt jemand. Für Bielefeld gegen Hannover ist keiner gekommen. Kurz darauf ist endlich Johan Micoud zu sehen. Beifall. Als um 15.36 Uhr Augenthaler ins Bild kommt, wird allerdings dem Letzten klar, dass heute “Konferenz“ angesagt ist - Premiere zappt zwischen sämtlichen Begegnungen hin und her.

“Werder“-Rufe. An der Theke meckert ein weiblicher Fan mit “W“-Halskette. Schnell macht die Runde, wer die „Konferenz“ beim Wirt bestellt hat. Die zwei Denunzierten geben sich unwissend. Wir? Der ständige Wechsel von Trikotfarben auf der Leinwand wird ausgebuht. Dann endlich wieder Grün-Weiß: Markus Daun führt den Ball im linken Mittelfeld, wird brutal gefoult. „Runter vom Platz“, sind sich alle einig. Der Schiri jedoch belässt es bei einer Ermahnung. Daun scheidet verletzt aus, und schwupps läuft eine andere Partie.

Nach 33 Minuten Konferenz wandert eine bekritzelte Papierserviette von Tisch zu Tisch. Unterschriften werden gesammelt: „Wir wollen Werder sehen.“ Dann Bild-Schnitte wie im Thriller: nacheinander gehen Werders Kontrahenten HSV und Hertha mit 1:0 in Führung, dann verliert Verlaat ein Laufduell und weiß sich nur mit einer Notbremse zu helfen. Rote Karte. Und Berlins Exil-Bremer sind „live“ dabei.

Im „Alois S.“ geht der Halbzeitpfiff im Protest-Palaver unter. Fünfzehn Minuten lang streitet man hier um die zweite Hälfte. Ein junger Werder-Fan verhandelt mit dem Besitzer. Der Junge im grünen Shirt spricht für sechzig Gäste, die beim Papierservietten-Referendum für 45 Minuten SVW gestimmt haben. Doch Heer bleibt hart: „letzter Spieltag alle Tore“. So hat er es draußen angeschrieben.

Es kommt immer schlimmer. Hamburg baut seinen Vorsprung aus, und ein Reporter ruft aufgeregt „Tor am Bökelberg“: im Zeitlupentempo verlädt Gladbachs Kluge erst Krstajic, dann Borel - und schiebt lässig ein zum 1:0. „Schalt um, schalt um“, fleht jetzt einer. Doch die Konferenz hat eine andere Logik. Die 73. Minute erlebt das „Alois S.“ wieder auf dem Bökelberg: Gladbach spielt über die Flügel, Ketelaer flankt und Skoubo köpft ein zum 2:0. Totenstille - sogar den Moderator hört man jetzt. Werders Abwehr bleibt konfus und findet kein Mittel gegen Gladbachs Forsell, der an jeder gefährlichen Szene beteiligt ist. Schon wieder passt er auf Skoubo, und Bremen liegt 0:3 hinten. Fäuste lassen Gläser auf den Tischen tanzen. Die Eingangstür fällt zu, ein Werder-Trikot weniger im „Alois S.“.

Hertha baut seine Führung aus, ein einsamer Herr mit Schnauzer klatscht. Werders Ehrentreffer, bezeichnenderweise ein Eigentor, interessiert hier keinen mehr. Der 1:4-Endstand schickt Schaaf und seine Mannschaft in den UI-Cup. Im „Alois S.“ sind wieder Stühle frei.

Daniel Toedt/Jojo Grieger