Yorck 59 zu früh geräumt

Drei Jahre nach der Räumung des Hausprojekts urteilt das Kammergericht: Die Unterstützer begingen keinen Hausfriedensbruch. Die Grundlage des Polizeieinsatzes wird in Zweifel gezogen

VON GEREON ASMUTH

Die Räumung des Hausprojekts Yorckstraße 59 vor drei Jahren war ohne ausreichende Rechtsgrundlage. Zu dieser Auffassung ist offenbar das Berliner Kammergericht gekommen. Die Staatsanwaltschaft hatte 145 Personen, die bei der Räumung angetroffen wurde, Hausfriedensbruch vorgeworfen. Eine Betroffene, die dagegen geklagt hatte, hat, wie gestern bekannt wurde, am Montag in letzter Instanz vom Kammergericht Recht bekommen.

Ein Trägerverein hatte die Yorckstraße 59 in Kreuzberg fast 17 Jahre gemietet und an linke Initiativen sowie rund 60 Bewohner untervermietet. 2003 hatte Marc Walter das Haus gekauft und die Mieten drastisch erhöht. Da die Nutzer das nicht akzeptierten, zog Walter vor Gericht. Der Verein wurde zur Herausgabe des Hauses verurteilt. Zudem musste er seine Untermieter benennen, damit der Eigentümer auch diese rausklagen könne.

Dazu kam es aber nicht mehr. Der zuständige Gerichtsvollzieher vertrat die Auffassung, dass Prozesse gegen jeden einzelnen Nutzer unnötig seien. Er bat die Polizei um Amtshilfe. Am 6. Juni 2005 räumten schließlich rund 500 Polizisten das Haus.

Bereits eine Woche zuvor hatte der Eigentümer bei der Polizei Strafantrag wegen Hausfriedensbruch gestellt. Den Unterstützern, die sich aus Protest gegen die lange angekündigte Räumung vor Ort versammelt hatten, kann das aber laut Kammergericht gar nicht vorgeworfen werden. Denn Hausfriedensbruch könne nur derjenige anzeigen, der über das Hausrecht verfüge, so Gerichtssprecherin Iris Berger. Dies aber habe bis zur Räumung nicht dem Eigentümer, sondern den legalen Untermietern zugestanden. Somit habe keine Straftat vorgelegen.

In der Urteilsbegründung ist das Gericht offenbar noch weiter gegangen. Die Richterin habe sich verwundert gezeigt, dass der Gerichtsvollzieher überhaupt tätig geworden sei, berichtet die Anwältin Undine Weyers, die die Betroffene vor Gericht vertreten hat. Ohne Räumungstitel gegen die Untermieter habe es nichts zu vollstrecken gegeben.

Die Nutzer des Hausprojekts Yorck 59 hatten damals um einen Monat Aufschub der Räumung gebeten. Sie wollten so Zeit gewinnen, um drei nach langen Verhandlungen vom Bezirk angebotene Ersatzobjekte eingehend prüfen zu können.

Für das Haus in der Yorckstraße hat das Urteil keine Folgen. Nach Angaben der Firma Select Berlin, die die sanierten Fabriketagen als „New Yorck Lofts“ vermarktet hatte, sind alle Einheiten seit etwa einem Jahr verkauft. Das billigste Loft war laut Prospekt für 365.000 Euro im Angebot. Ehemalige Bewohner des Hausprojekts hatten wenige Wochen nach ihrer Räumung den Südflügel des Bethaniens am Mariannenplatz besetzt. Als „New Yorck“ kämpfen sie dort gerade um einen Mietvertrag.

Auswirkungen dürfte das Urteil jedoch auf die anderen 144 Personen haben, denen Hausfriedensbruch vorgeworfen wurde. In allen noch laufenden Verfahren rechnet Undine Weyers mit ähnlichem Ausgang. Einige hatten den Strafbefehl klaglos akzeptiert. Hier könne ein Wiederaufnahmeverfahren beantragt werden, sagte die Anwältin.