Beer ist halt nicht so gefragt

Will – oder soll – Grünen-Chefin Angelika Beer lieber EU-Parlamentarierin werden? Die Bundespartei möchte Spekulationen unterdrücken. Die werden jedoch von zwei Landesverbänden befeuert. Sie kritisieren Beer: Sie sei „nicht präsent“ genug

aus Berlin ULRICH SCHULTE

Die, um die es geht, fand gestern keine Zeit für ein Gespräch. Das mag Zufall sein, doch Grünen-Chefin Angelika Beer kommentiert Spekulationen um ihre europapolitischen Ambitionen ungern. Bereits am Freitag sagte sie zu den Gerüchten: „Der Vorstand ist bis 2004 gewählt. Wir alle nehmen die Arbeit sehr ernst und werden sie weiterführen.“

Obwohl die Antwort offiziell da ist, beschäftigt die Frage die Grünen zunehmend: Will Beer fürs Europaparlament kandidieren? Durch die Satzungsänderung zu Amt und Mandat könnte Beer zwar Chefin bleiben. Sie könnte jedoch umgekehrt auch bequem durch eine Abgeordnete ersetzt werden – etwa ihre erfolgreiche Vorgängerin Claudia Roth. Dass die Frage jetzt offiziell wird, liegt auch am zweiten Parteichef Reinhard Bütikofer. Er, der diese Spekulationen brüsk mit „alles gaga“ abwiegelt, wird von einigen in der Partei als der wichtigere Part der Doppelspitze wahrgenommen. Seit Dezember fest im Sattel, gilt er als Integrator und thematischer Generalist. Die Agenda 2010 fällt etwa in seinen Bereich. „Naturgemäß ist er in der letzten Zeit der Gefragtere, da er für Sozialthemen zuständig ist“, meint der Bundestagsabgeordnete Christian Ströbele. Auch Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer der Fraktion, schreibt Bütikofers Dominanz nur der aktuellen Debatte zu: „Es ist klar, dass sich die Außenwirkung verschiebt – je nachdem, welches Thema gerade auf der Agenda steht.“

Auf Bundesebene redet also niemand offen über ein Kräfteungleichgewicht zwischen der Sicherheits- und Außenpolitikexpertin und ihrem Kompagnon. Aber Wortmeldungen zweier Landesverbände haben die Debatte um Beers Europa-Liebäugelei angeheizt: Tabea Rößner, Vorsitzende in Rheinland-Pfalz, sagte, Beer habe es nicht leicht, neben dem „starken Vorsitzenden Bütikofer ihre Rolle zu finden“. Sie sei „in vielen Themenbereichen nicht präsent“ gewesen, meint der saarländische Grünen-Chef Hubert Ulrich. „Sollte Frau Beer sich anders orientieren, dann ist jetzt die Tür weit offen: In der Fraktion gibt es ein ganzes Spektrum von hervorragend geeigneten Leuten.“

Nun sind Saarland und Rheinland-Pfalz eher die Spatzen unter den Landesverbänden. Andreas Braun, Chef der mächtigen Baden-Württemberger, bescheinigt beiden Parteivorsitzenden „einen sehr guten Job“. Die hessische Landesvorstandssprecherin Evi Schönhut-Keil glaubt nicht an einen Wechsel, auch nicht Beck und Ströbele. Sicher ist: Beer müsste europäische Ambitionen bald anmelden. Die Grünen sammeln im Sommer in den Ländern Kandidaten, Ende November stellen sie die Bundesliste auf.