: Weg vom Schmuddelimage
Erste Generaldebatte der neuen Bürgerschaft mit symbolhafter Regierungserklärung von Bürgermeister Ole von Beust schwankt zwischen Unaufgeregtheit und dem Bemühen um Sachlichkeit nach zweieinhalb Jahren Rechtspopulismus
von PETER AHRENSund SVEN-MICHAEL VEIT
Nur kein rechtspopulistisches Schmuddelimage mehr: Bürgermeister Ole von Beust (CDU) ist gestern beim Bürgermeister aller Hamburger angekommen: In seiner Regierungserklärung vor der Bürgerschaft benutzte er achtmal das Wort von der Gemeinsamkeit, Angriffe auf den politischen Gegner verbaten sich von selbst. Inhaltlich kam allerdings auch wenig Neues. Insofern hatte auch die Opposition anschließend nur die Aufgabe, ihre Kritik aus den vergangenen zweieinhalb Jahren neu zu formulieren.
Der Staatsmann
Die Staatsmanns-Attitüde, die Ole von Beust in seiner einstündigen Erklärung verbreitete, verband sich mit durchweg lang Bekanntem. Von Beust sendete das Signal aus: Die Politik, die er 2001 noch mit Schill begonnen hatte, wird mit ein paar kosmetischen Korrekturen weitergeführt.
Die absolute Mehrheit sei ihm „Verantwortung für alle Menschen, egal, ob sie uns gewählt haben oder nicht“, pflegte von Beust sein Image von Fairness und Überparteilichkeit. Hässliche Worte wie Abschiebung oder Kürzung fanden denn auch nicht statt, das weniger hässliche Wort vom Umweltschutz allerdings auch nicht. Stattdessen stellte der Bürgermeister erwartungsgemäß den Gedanken der Wachsenden Stadt in den Mittelpunkt seiner Ausführungen. Er appellierte daran, „sich diesem Wandel nicht zu widersetzen – auch nicht vor der eigenen Haustür“ – Hinweis auf die zahlreichen Proteste und Bürgerbegehren gegen Neubauvorhaben vor Ort in der Vergangenheit.
Die Elbvertiefung bezeichnete von Beust ebenso als vorrangiges Ziel wie den Bau einer Philharmonie in der Hafencity oder die Gründung einer Akademie der Wissenschaften. Eine Milliarde Euro will der Bürgermeister für die Wachsende Stadt ausgeben, Programm „Hamburg 2010“ heißt das bei ihm fast sozialdemokratisch. Dass andere Bereiche dafür bluten müssen, deutete von Beust lediglich an, konkrete Einsparpotenziale nannte er nicht.
Offen ließ von Beust auch die Zukunft des Landesbetriebs Krankenhäuser. Eine Entscheidung werde noch vor dem Sommer fallen, kündigte er immerhin einen Zeitpunkt für eine Entscheidung an.
Der Gegenspieler
Redlich mühte er sich am Regierungschef ab, der neue SPD-Fraktionsvorsitzende Michael Neumann. In seiner ersten Rede als direkter Gegenspieler des Bürgermeisters versicherte er, Opposition nicht mit „reflexhafter Ablehnung“ verwechseln zu wollen. Die SPD werde, so der neue Spitzengenosse, mit dem Senat „in einen Wettbewerb um das Beste für Hamburg treten“.
Zugleich nannte Neumann sofort die „Bewährungsproben“ für die CDU-Regierung. Der Volksentscheid gegen den Verlauf des Landesbetriebs müsse ebenso „respektiert“ werden wie der anstehende Volksentscheid in der Kita-Politik. Mit „millionenschweren Nachbesserungen“ sei es nicht getan, so der SPD-Fraktionschef. Am „einfachsten und besten für die Stadt“ sei es, wenn der Senat sich dem Kita-Begehren anschlösse. Allzu handzahm aber wollte der frischgebackene Oppositionsführer denn auch nicht sein. Und streute deshalb gezielte Attacken ein: Haushaltspolitisch sei der Senat auf dem „Weg in den Schuldenstaat“, Sozialpolitik begreife er „in erster Linie als ein Missbrauchsproblem“ – die Haltung der CDU gegenüber Arbeitslosen und sozial Schwachen sei „verhöhnend und zynisch“.
Die SPD sei dazu bereit, Richtiges mitzutragen, versicherte Neumann unter anhaltendem Applaus seiner Fraktion – aber nur, wenn der Senat nicht an „einem Hamburg für die Schönen und Reichen“ festhalte.
Der Adjutant
Es war seine Jungfernrede als CDU-Fraktionschef, und nach der Eingangsbemerkung, „dies war eine große Regierungserklärung“, fiel dem neuen Vormann der Mehrheitsfraktion, Bernd Reinert, nicht mehr viel ein. Mit seinem Auftritt untermauerte er zwar sein Image, ein netter Kerl zu sein, der zu polemischem Angriff nicht recht in der Lage ist. Aber einen großen Redner hat sich die CDU da nicht an die Spitze gestellt. Pflichtgemäß sicherte Reinert von Beust alle Unterstützung zu und referierte in der Folgezeit kreuzbrav und blutarm die Politikfelder, die schon der Bürgermeister zuvor ausführlichst durchexerziert hatte. „Wir reden nicht, wir handeln“, betonte er und hatte damit eine Eigencharakteristik abgeliefert. Der Verkehrsexperte fühlt sich beim Ausmessen von Schlaglöchern sicher wohler als am Rednerpult im Parlament.
Die Lückensucherin
Das ist bei seiner grünen Kollegin Christa Goetsch anders. Ihr macht es eher Freude, das „Regierungsprogramm der Lücken“ anzuprangern, all diejenigen aufzuzählen, die von Beust bewusst oder unbewusst vergessen hatte zu erwähnen: Frauen, Flüchtlinge, Radfahrende, FußgängerInnen, Obdachlose, Verbraucherschutz, soziale Stadtentwicklung – alles fehlt, wie Goetsch monierte, was Grünen wichtig ist. Bei den Ausführungen des Bürgermeisters fühlte sie sich ohnehin eher an eine „Werbebroschüre für durchreisende Touristen“ erinnert als an ein Regierungsprogramm für die kommenden vier Jahre. Der Inhalt dieser Broschüre sei: „Wir sind die Größten, oder wollen zumindest die Größten werden.“
Jeder könne sich seine Wünsche in den „leeren Slogan“ der Wachsenden Stadt hineindenken, kritisierte Goetsch, „und deswegen wird das Meiste auch Wunschdenken bleiben.“