Grüne: Halbe Sieger

Besser als vor vier, schlechter als vor acht Jahren: Keine Wechselstimmung für Rot-Grün

taz ■ Zwölf Sitze werden die Grünen in der neu gewählten Bürgerschaft haben – darunter drei Jung-Grüne: Jan Köhler (27), Jens Crueger (19) und den Bremerhavener Peter Lehmann (21). Doch in welcher Rolle – ob Opposition oder Regierungsbeteiligung – wo die Grünen sich wiederfinden werden, das möchte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Karoline Linnert noch nicht festlegen. „Wir verabschieden uns von gar nichts“ – damit dementierte sie gestern Meldungen, die Grünen würden sich jetzt auf die Oppositionsarbeit einstellen. „Wenn wir gefragt werden, gehen wir natürlich zu Koalitionsgesprächen“, sagte Linnert. Doch alles spräche dafür, dass die große Koalition weitermachen werde.

Und das, obwohl das Wahlergebnis nicht als Sieg der großen Koalition gewertet werden könne: „In erster Linie wurde Henning Scherf gewählt.“ Auch einen Wahlauftrag für Rot-Grün könne sie nicht erkennen, sagte Linnert. Anders der grüne Parteivorsitzende Klaus Möhle. 12,8 Prozent – das sei ein ganz klares Wählerbekenntnis für einen Regierungswechsel, sagte er. „Das schreit doch nach Rot-Grün!“ rief er am Sonntagabend auf der Wahlparty im Modernes in den Saal hinein.

Doch der Funke sprang dort nicht über, die grüne Basis freute sich zwar über das Ergebnis, doch Partyatmosphäre kam keine auf. Dass es keine wirkliche Wechselstimmung im Lande gebe, sei enttäuschend, sagte Jürgen Franke. Erst im Herbst sei er in die Partei eingetreten – aus Unzufriedenheit mit der rot-schwarzen Politik. „Aber viele Wähler wollen offenbar die große Koalition – die sind gerührt, wenn Scherf sie umarmt“, sagte der 54-jährige energiewirtschaftliche Berater.

Der Frust über acht Jahre große Koalition kann tatsächlich nicht besonders groß gewesen sein, denn einen wirklichen Stimmengewinn konnten auch die Grünen nicht verzeichnen (anders bei den Beiräten: siehe S. 22). Zwar erreichten sie gegenüber 1999 knapp drei Prozent mehr, hatten 1995 aber bereits 13,1 Prozent. Die Fraktionsvorsitzende Linnert vermutet, dass auch einige Grün-Wähler sich in diesem Jahr für die SPD entschieden hätten. „Die wollten, dass die ihre Sanierungspolitik zu Ende bringen.“ Eiken Bruhn