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Archiv-Artikel

„Schmerzgrenze verdeutlichen“

In der Bildungspolitik und bei der Stadtentwicklung wollen die Sozialdemokraten über die CDU triumphieren

Von hey

taz ■ Vorgestern, so beschrieben es kundige Beobachter, konnten so manche Genossen „vor Kraft kaum noch laufen“. Mittlerweile aber ist Vorsicht wieder die Mutter der Porzellankiste. Obwohl die SPD die zum Juniorpartner gewordene CDU prozentemäßig weit hinter sich lässt, will sie in der Frage der Sitzverteilung im künftigen Senat noch nicht auftrumpfen. Damit bleibt auch die Frage offen, ob die SPD in Zukunft fünf statt vier Senatoren stellt. „Zuerst geht es um die Sache“, so die Sprachregelung.

Aber auch „die Sache“ hat es in sich. „Wir haben in der Bildungspolitik und bei den Kindergärten Differenzen, die ins Grundsätzliche reichen“, sagt der SPD-Landesvorsitzende Detlev Albers. „Und ich setze voraus, dass die CDU die Kräfteverhältnisse akzeptiert.“ Konkret geht es um die Einführung der sechsjährigen Grundschule, die Bildungssenator Willi Lemke (SPD) „sonnenklar“ zum essential der Koalitionsverhandlungen erklärt.

Lemke war gestern einer der ganz wenigen, die sich für eine 4:3-Lösung im Senat aussprachen, dafür also, dass auch weiterhin drei Senatsressorts bei der CDU bleiben. Bloß welche?

Die Bremerhavener SPD klagt vehement ihren traditionsgemäßen Sitz im Senat ein, der seit dem Tod von Hilde Adolf verwaist war. Und hat auch eine Idee dafür: Der parteilose Unternehmer Ulrich Nussbaum soll als Wirtschaftssenator ausgerechnet das Lieblingsressort der Schwarzen übernehmen. Auf dem heutigen Landesparteitag, der in Bremerhaven stattfindet, wird Nussbaum sich der SPD vorstellen.

Dort wird Henning Scherf dann wohl auch das Votum der Partei bekommen, Koalitionsverhandlungen mit der CDU aufzunehmen. Stimmen, die zu parallelen Gesprächen mit den Grünen raten, gibt es nicht (mehr). „Henning Scherf – und damit die SPD – hat dem Wähler ein Versprechen gegeben, und das werden wir halten“, so Fraktionschef Jens Böhrnsen. Wenn es nach Scherf geht, wird Rot-Grün auch im Hintergrund oder als Druckmittel in den Verhandlungen, die am Donnerstag beginnen sollen, keine Rolle spielen (siehe auch taz Seite 6). Parteichef Albers sprach allerdings von einer „rechnerischen Alternative“, die die Schmerzgrenze bei den Koalitionsverhandlungen mit der CDU verdeutliche.

Zweites essential der SPD ist neben der Schul- die Stadtentwicklungspolitik. „Der Wählerwille ist doch jetzt klar“, kommentiert Jens Böhrnsen den ewigen Streit ums Hollerland. Eine Erweiterung des Technologieparks in diese Richtung komme nicht in Frage.

Auch das Programm „Vitale Stadt“ will die SPD auf jeden Fall durchsetzen. 100 Millionen Euro stehen im Wahlprogramm, „und das sollten uns die Stadtteile auch angesichts der Wahlergebnisse wert sein“, so der baupolitische Sprecher Carsten Sieling. Die Zugewinne am rechten Rand, aber auch die geringe Wahlbeteiligung in manchen Wahlbezirken zeigten, „dass die Stadt nicht homogen ist“.

Drittes Thema, das die SPD auf den Koalitionstisch bringen wird: das Verhalten im Bundesrat. Bisher enthielt sich Bremen in aller Regel. „Aber auch hier muss sich das größere Gewicht der SPD abbilden“, so Fraktionschef Böhrnsen. „Schließlich brauchen wir Verbündete auf Bundesebene, wenn die Sanierung weitergehen soll.“ hey