: Das Prinzip Kabila
Für den belgischen Maoisten Ludo Martens war Laurent-Désiré Kabila ein großer Denker und Weltrevolutionär. Für historische Widersprüche bleibt da kein Platz
Einen besseren Freund als Ludo Martens hatte Laurent-Désiré Kabila nicht. Für den toten Revolutionsführer der Demokratischen Republik Kongo, der 1997 als Guerillaführer die Macht ergriff und 2001 im eigenen Palast getötet wurde, war der Generalsekretär der belgischen Maoistenpartei PT (Arbeiterpartei) eine Art ideologischer Assistent. Martens ist auf 120 Tagungen im Kongo aufgetreten und hat 70-mal in Radio und Fernsehen Kabila erklärt. Nun hat er versucht, den „Kabilismus“ als System darzustellen.
Martens’ Buch ist die erste ausführliche systematische Darstellung von Kabilas Denken und Handeln. Allerdings wirkt die Systematisierung oft übertrieben. Als Kabila einmal einen Regionalgipfel eröffnete, erklärte er: „Unser Land hat sich als afrikanisches Ziel gesetzt, Frieden, Sicherheit und Entwicklung zu exportieren.“ Martens kommentiert das so: „Das ist keine hübsche Redewendung, sondern ein tiefer Gedanke.“
Während ideologische und klassenanalytische Fragen breiten Raum einnehmen, werden zentrale Fragen der Geschichte im Dunkeln gelassen. So findet sich kaum ein Hinweis auf Kabilas Aktivitäten direkt vor Herbst 1996, als er praktisch aus dem Nichts zum Führer einer erfolgreichen Rebellenbewegung aufstieg. Kabila habe damals einfach seine Guerillabewegung wiederbelebt, heißt es, und Ruanda habe „mit an der Front“ gestanden. Dass Kabilas Rebellion damals ohne die militärische Unterstützung Ruandas und Ugandas, die Martens später ausführlich als Alliierte des „US-Imperialismus“ verurteilt, Mobutu nicht hätte stürzen können, wird nur am Rande erwähnt. Als Problem für die vermeintliche ideologische Kohärenz des Projekts Kabila sieht Martens das Bündnis mit den US-Alliierten nicht, obwohl es die Bedingung für seinen Aufstieg zum Staatschef war. Ruanda und Uganda werden erst 1998 zum imperialistischen Bösewicht, als sie sich gegen Kabila wandten. Und der nachfolgende Kongokrieg gilt als „Befreiungskrieg“ gegen die „imperialistischer Aggression“.
Martens verweist durchaus auf Probleme Kabilas, zum Beispiel die Streitereien in seinem Umfeld. Die Verantwortung dafür wird aber immer von der Person Kabila weggelenkt. Er habe zu viel allein machen müssen, habe zu wenig weitsichtige Unterstützer gefunden, heißt es.
Das 720 Seiten starke Werk ist als Band eins konzipiert und endet mit den ersten Kongofriedensverträgen von Lusaka im Sommer 1999. Die Ermordung Laurent Kabilas im Januar 2001 steht als Thema also noch aus. Das Buch wird nicht nur in Europa verkauft, sondern soll von der Stiftung „Mzee Kabila“ (Sir Kabila) in 3.500 Exemplaren im Kongo selbst vertrieben werden.
FRANÇOIS MISSER
Ludo Martens: Kabila et la révolution congolaise – panafricanisme ou néocolonialisme? Editions EPO, Antwerpen, 720 Seiten, 40 €