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Archiv-Artikel

OFF-KINO Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

Als in den 1970er Jahren in den USA endlich auch die schwarze Bevölkerung als Zielgruppe für Kinofilme ernst genommen wurde, entstand eine Form des Exploitation-Kinos, welches das neue schwarze Selbstbewusstsein mit Genrekino unter nunmehr veränderten Prämissen verband. Auch der Western erfuhr dabei eine Neubewertung: „Boss Nigger“ (1975) wurde vom schwarzen Hauptdarsteller, Drehbuchautor und Koproduzenten Fred Williamson erdacht und zeigt zwei coole schwarze Kopfgeldjäger, die einen Haufen tumber weißer Rassisten demütigen und über den Haufen schießen. „You’ve been hunting black folks for so long“, heißt es da, „we just wanted to see how it is to hunt white folks!“ Seiner Entstehungszeit entsprechend, sind die Gewaltszenen explizit, die Musik funky, und natürlich ist Schwarz auch sexy. Bei aller Modernität ist aber auch interessant, dass Jack Arnolds letzter Western die Themen seiner zwanzig Jahre zuvor entstandenen Filme weiterführt: Immer wieder ging es auch dort um das Leben in Kleinstädten, um die Zersetzung einer Gemeinschaft von innen, für die der in die Stadt kommende Fremde als Katalysator dient, der die Konflikte zur Eskalation treibt. Und das ist in „Boss Nigger“ nicht anders, wo ein kleiner Ort von Banditen terrorisiert wird, die mit den Bewohnern einen Schutzgeldvertrag geschlossen haben: Die Banditen decken sich kostenlos mit Vorräten ein und lassen dafür die Einwohner ihren täglichen Beschäftigungen relativ unbehelligt nachgehen. Mit der Ankunft der beiden schwarzen Kopfgeldjäger ändert sich die Konstellation, doch Rassisten sind beileibe nicht nur die Schurken: Auch die braven Bürger lassen sich lieber ausplündern, als dass sie die Hilfe von Schwarzen annehmen würden.

Von tiefer Humanität geprägt ist Akira Kurosawas Drama „Einmal wirklich leben“ (Ikiru, 1952), das er dem Vernehmen nach von all seinen Filmen am liebsten mochte. Der Regisseur erzählt die Geschichte eines an Krebs erkrankten Verwaltungsbeamten, der feststellt, dass er eigentlich nie richtig gelebt hat. Er wirft sich zunächst ins Nachtleben, findet aber schließlich Befriedigung in der Aufgabe, die Behörden so lange zu piesacken, bis dort wenigstens einmal wirklich etwas passiert: Ein Sumpf wird trockengelegt, und ein Spielplatz entsteht. Nebenbei zeigt Kurosawas Film auch die Veränderungen im Nachkriegsjapan mit seinem amerikanisierten Nachtleben, den plötzlich selbstbewussten jungen Frauen und all den Problemen, welche die traditionellen Erwartungen, die Eltern und Kinder aneinander haben, mit sich bringen. Das alles erzählt Kurosawa völlig unsentimental und mit manchmal ungewöhnlichen Strategien: Just in jenem Moment, als sich der Held entschließt, in der Behörde endlich einmal etwas zu bewegen, kommt der Umschnitt auf seine Beerdigung, bei der sich Politiker und Bürokraten für den Bau des Parks gegenseitig auf die Schulter klopfen und versuchen, den Beitrag des Verstorbenen herunterzuspielen. „Ikiru“ eröffnet eine Filmreihe zu Ehren der 1993 verstorbenen Kashiko Kawakita, der Begründerin des „Japan Film Library Council“. LARS PENNING

„Boss Nigger“ (OF) 21. 12. im Z-inema

„Ikiru – Einmal wirklich leben“ (OmenglU) 19. 12. im Arsenal