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Archiv-Artikel

Lesbische Lebenswege in Bochum

Gestern hat NRW-Familienministerin Birgit Fischer (SPD) eine Ausstellung über lesbische Frauen in Bochum eröffnet. Sie zeigt Einsichten ins private Leben von geouteten Frauen zwischen 25 und 72 Jahren

BOCHUM taz ■ Natürlich wurde auch Ruth Becker das Gefühl gegeben, Männer für sich interessieren zu müssen, seien sie auch noch so blöd und hässlich. Dann kamen die obligatorischen Tanzstunden und eine Beziehung zu einem Mann, um nicht als völlig unnormal oder als Außenseiterin zu erscheinen. „Ich galt als Neutrum“, sagt Ruth Becker. Sie wurde in der Frauenbewegung aktiv und outete sich als Lesbe. „Offen lesbisches Leben ist ein lebenslanger Prozess“, sagt die heute 57-Jährige. Wenn man in der heutigen Welt nichts anderes sagt oder tut, dann gelte frau automatisch als heterosexuell. Heute ist Becker Professorin am Dortmunder Institut für Raumplanung, ihr Fachbereich ist Frauenforschung und Wohnungswesen.

Ihre und neun weitere Geschichten stellt die Ausstellung „Lebenswege lesbischer Frauen“ in der Rosa Strippe, einer Anlaufstelle für Homosexuelle in Bochum vor. Zehn Frauen aus unterschiedlichen Generationen erzählen ganz offen ihre private Geschichte und geben auf Fotos Einblick in ihre Leben. Gestern eröffnete NRW-Frauenministerin Birgit Fischer die Fotogalerie. „Noch vor zehn Jahren wäre ein solches Projekt nicht denkbar gewesen“, so die SPDlerin. Damals wäre das ein Thema für Randgruppen gewesen, heute sei fast die gesamte Bochumer Polit-Prominenz anwesend. „Nur wenn wir der Unterschiedlichkeit Rechnung tragen, können wir in Frieden leben“, psalmte Fischer.

Andrea Milek von der Rosa Strippe sieht die Akzeptanz von lesbischem Leben weniger salbungsvoll. Zwar seien die Strukturen mit Beratungsangeboten und Lesbencafés gut ausgebaut. Aber es habe noch immer Schwierigkeiten bereitet, die Ausstellung an prominenten Orten unterzubringen. „Das Bochumer Schauspielhaus und die Jahrhunderthalle wollten nicht kooperieren“, sagt Milek.

Michaela Opielka lebt zum ersten Mal so, wie sie es haben will. Früher, als sie im streng katholischen Paderborn zur Schule ging, war sie immer eine Außenseiterin. „Ich wollte mich immer anderes anziehen und anders verhalten, habe es aber nie geschafft.“ Nach einer Woche sei sie wieder die alte Michaela gewesen, die, die irgendwie anders ist. Mit siebzehn küsste sie Olaf, mit 18 war sie in Stefan verliebt und blieb dann sieben Jahre mit ihm zusammen. Dann kam Karla. „Meine Freunde waren gar nicht erstaunt, sie haben es alle schon längst geahnt“, sagt Opielka. „Und es ist wahr – ich möchte keinen Mann mehr, das war nie richtig.“ Am liebsten möchte die 27-jährige Bürokauffrau kirchlich heiraten, vielleicht im weißen Kleid. „Bei mir darf es wirklich heißen: Bis das der Tod euch scheidet.“

Lucia W. konnte erst sehr spät zu ihrer Homosexualität stehen. Die 72-Jährige kommt aus einer wohlhabenden Bürgersfamilie. Ihre Mutter hat sie oft furchtbar geschlagen. „Als Kind hatte ich unheimliche Ängste, oft auch Angst, nach Hause zu gehen.“ Lucia flüchtete sich in Träume, dort lebte sie in einer heilen Welt. Erst allmählich wurde ihr bewusst, dass sie Frauen anders sah als Männer, dass sie eine andere Ausstrahlung für sie hatten und sie sie auch irgendwie beschützen wollte. „Frauen waren für mich wie mystische Wunderwesen, aber keine sexuellen Personen.“ Ihre ersten sexuellen Erfahrungen machte sie ausgerechnet mit einer Nonne in den Weinbergen. „Ich wollte aber keine Lesbe sein“, sagt Lucia. Sie wurde immer wieder gefragt: „Bist Du krank?“.

ANNIKA JOERES

Lebenswege lesbischer Frauen

Rosa Strippe

Allestraße 54

Bochum