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Archiv-Artikel

Aus nix was Leckeres zaubern!

Seine „Superstars“ hat Deutschland ja nun gefunden – mit den Nixern schicken jetzt ein sächsisches Digitalradio und die Plattenfirma Sony eine Band ins Rennen, die garantiert talentfrei ist und statt eines Songs nur Stille in die Charts bringt

Es klingt wie ein schlechter Kalauer, ist wahrscheinlich auch einer – und doch Realität: Die Nixer, die selbst ernannte schlechteste Band des Landes, schaffte mit ihrem Hit „Nix“ den Sprung von null auf 73 in die Single-Charts. Etwa 3.000-mal ging damit die Platte, auf der nichts mehr als das in Rockerkreisen übliche „one, two, three, four“ und gut drei Minuten Raumklang zu hören sind, in der Vorwoche über den Ladentische.

„In manchen Fachmärkten hat es bereits am Dienstag die ersten Lieferengpässe gegeben“, erklärt Andreas Frutiger, Produzent von Project 89.0 digital (www.fettesradio.de). Der Radiosender, der in Sachsen-Anhalt, Niedersachsen, Bremen sowie in Teilen Thüringens, Sachsens, Brandenburgs, Hessens und Nordrhein-Westfalens vor allem das jüngere Publikum mit Rock, Nu Metal und dergleichen versorgt, ist eigentlicher Verursacher des Hypes um nichts und wieder nichts.

Im Fünfminutentakt wurde im Programm des Senders in den vorangegangenen Tagen Kult produziert: Stetig wechselten Kaufaufrufe und diverse Informationen zu dem Nixer-Song, für den Anfang des Jahres die schlechtesten Musiker Deutschlands gesucht wurden. Grundbedingungen: Sie durften nicht nur absolut nichts können, sie müssen auch so aussehen.

Das eigentliche Konzept stammt von der Berliner Radioberatungsfirma Kreklau & Sitzek, die mit Sony eine Plattenfirma und mit Project 89,0 den richtigen Radiosender fanden, so Frutiger: „Von der privaten Konkurrenz hat kaum ein Kanal eine solche enge Hörerbindung wie wir. Letztlich haben wir unseren Leuten draußen in den vergangenen Wochen nur klarmachen müssen, dass sie Teil einer absolut abgefahrenen Aktion sind.“

Und diese Aktion ist mit dem Chartserfolg keineswegs beendet. Frutiger: „Nun hoffen wir, dass die Single, die weiterhin zu kaufen ist, unter Umständen bis in die Top Twenty klettert.“ Denn dann wären auch andere Radiosender und Shows, wie das von RTL präsentierte „Top of the Pops“, gezwungen, die Nixer ins Programm zu nehmen – so werden Marktmechanismen genutzt, um Marktmechanismen vorzuführen. Noch in dieser Woche wird darüber hinaus ein Video zur Single „Nix“ bei MTV laufen, in dem sogar Helmut Zerlett aus der „Harald Schmidt Show“ mitspielt. Zum Ende des Jahres sei dann ein Lied-Projekt mit einem international bekannten Musiker geplant, der den „Nixern dann das Nötigste beibringen soll“.

Natürlich ist es kein Zufall, dass das mediengestützte Geschäftsgebaren stark an die Fernseh-Offensive rund um Dieter Bohlens „Deutschland sucht den Superstar“ erinnert: „Wir machen nichts anderes, als unserer hitproduzierenden Mediengesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Angreifen wollen wir damit niemanden“, stellt Frutiger klar, der zudem die nix könnenden Nixer in den Charts zwischen all den Daniels und Alexanders in guter Gesellschaft weiß.

Als vor zwei Jahren die erste „Big Brother“-Staffel für Aufsehen sorgte, gab es – zumindest im Internet – ähnliche Parodien. Meerschweinchen und Hamster wurden da in einem „Container“ aufeinander losgelassen. Die Nixer gehen einen Schritt weiter, setzen, im Gegensatz zu den hinausposaunten „Talenten“ der RTL-„Superstars“, ganz aufs Nichtkönnen – und lenken damit den Blick auf das einzige entscheidende Erfolgskriterium: die Vermarktung. Und während die Plattenfirma BMG mit Dieter Bohlen und seinen „Superstars“ der schwachen Konjunktur trotzt, gewinnt der Konkurrent Sony mit den Nixern zwar kein Geld, aber doch ein wenig Distinktion. Mit einem aufklärerischen Projekt.

MATHIAS LIEBLING