: Clement im Verdacht
Unterstützt der Exministerpräsident von Nordrhein-Westfalen den drohenden Koalitionsbruch von Rot-Grün im größten Bundesland?
aus Köln PASCAL BEUCKER
Auf den Düsseldorfer Landtagsfluren kocht die Gerüchteküche: Der Crash-Kurs von Ministerpräsident Peer Steinbrück (SPD) gegen den grünen Koalitionspartner werde hinter den Kulissen von seinem Vorgänger Wolfgang Clement unterstützt. So erklären sich manche Sozialdemokraten, dass der Genosse Steinbrück partout nicht klein beigibt – wiewohl sein Kanzler und Parteivorsitzender Gerhard Schröder zum Erhalt von Rot-Grün mahnt. Der damalige Ministerpräsident Clement habe schließlich schon nach der Landtagswahl 2000 auf Rot-Gelb setzen wollen, so die Erklärung der Gerüchteköche, durfte dies jedoch seinerzeit aus Rücksichtnahme auf Schröder nicht. Inzwischen zum Bundeswirtschaftsminister und einzig starken Sozialdemokraten im Kabinett avanciert, sähe Clement nun die Zeit für Rot-Gelb in Düsseldorf gekommen. Besonders misstrauische Geister unterstellen ihm gar, er wolle Schröder schwächen und die Weichen auf eine große Koalition im Bund stellen. Platzt Rot-Grün in NRW, so das Kalkül, hält Rot-Grün in Berlin auch nicht mehr lange – und Clement könnte der Krisengewinnler sein.
Doch es gibt in NRW auch noch Genossinnen, die die Grünen mögen. Mit einer bewegten Rede wandte sich gestern Gabriele Behler auf der nichtöffentlichen Sitzung der SPD-Landtagsfraktion an ihre Kollegen. Es ginge doch auch um das gemeinsame Projekt mit den Grünen, appellierte die SPD-Landesvize und frühere NRW-Bildungsministerin. Die Genossen sollten nicht vergessen: „Sozialdemokratie ist mehr als freie Fahrt für freie Bürger!“
Behler stand freilich weitgehend alleine. In der SPD-Landtagsfraktion glaubt kaum einer mehr, dass es Rot-Grün noch lange schafft. Manche wollen nicht einmal mehr daran glauben. „Es gibt am Donnerstagabend beim Kanzler keinen Treueschwur für Rot-Grün“, sagte Ministerpräsident Peer Steinbrück in der Fraktion unter großer Zustimmung. Er setze „niemanden unter Druck, und für den Klärungsprozess habe ich mir zeitlich kein Ende gesetzt“. Es heißt allerdings aus der Fraktion, dass die Koalition noch eine Schonfrist bis zum Beginn der Sommerpause habe.
Inzwischen bekommt Steinbrück sogar Unterstützung von bisherigen Befürwortern des rot-grünen Bündnis. „Es sieht schlecht aus für Rot-Grün“, fasste die Kölner Landtagsabgeordnete Annelie Kever-Henseler nach der Sitzung die Stimmung der Abgeordneten zusammen. „Wenn jetzt nichts geschieht, können wir die Wahlen 2004 und 2005 abschreiben“, sagte sie der taz. Dabei gehe es ihr nicht um eine einseitige Schuldzuweisung. Es sei „ja nicht so, dass immer nur die Grünen nur die Bremser sind“. Aber auch sie glaube, dass der Abwärtstrend der SPD an Rhein und Ruhr nur durch einen Befreiungsschlag gestoppt werden könne: „Es kann so einfach nicht weitergehen.“