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Archiv-Artikel

„Die großen Unterschiede sieht man nicht“

Kay Michalaks fotografische Annäherung an die Republik Belarus zeichnet im Kubo das Bild eines Landes in historischer und geopolitischer Randlage

Der junge Mann, leger gekleidet, hat den rechten Arm um die Schultern der jungen Frau gelegt. Genau wie seine Freundin schaut er mit jenem Ausdruck des Selbstbewusstseins in die Kamera, der eher auf leichte Unsicherheit schließen lässt. Was will der Fotograf bloß mit Bildern von uns?

Die linke Hand, fast geballt, hält eine braune Plastiktüte mit goldenem Schriftzug: John Savage. Im Hintergrund graue Granitquader, ein Ehrenmal. Für wen? Wahrscheinlich für die gefallenen Soldaten. Wer genaueres wissen will, muss aber erst die kyrillischen Buchstaben entziffern. Die Schrift verrät: Dies ist ein fremdes Land.

Kay Michalak ist der Fotograf. Die Aufnahme gehört zu einer Serie von 43 Porträts. 20 davon sind derzeit im Kubo zu sehen, gepaart mit je elf Fragen und Antworten. Lebst du allein oder in irgend einer Gemeinschaft? Bist du glücklich mit dem, was du machst und wo du lebst? Fast naive Fragen: Sie machen keine Vorgaben. Und in der Schwebe bleibt, ob Unerwartetes aufs Konto der Persönlichkeit geht, oder etwa Ausdruck spezifischer Fremdheit wäre. „Ich will nicht das Land erklären“, sagt Michalak. „Wie könnte man so ein Land überhaupt erklären?“ Die Porträt-Sequenz ist in Minsk entstanden, der Hauptstadt, die übrigen Aufnahmen auf zwei Reisen durch die ganze Republik Belarus –Weißrussland.

Weißrussland? Dafür braucht der Normalsterbliche ein Lexikon. „Weißrussland oder russisch Belarus“, gibt die Enzyklopädie kund, „liegt am westlichen Rand der ehemaligen Sowjetunion.“ Weiß, bela, das bedeute Norden, genauer: nördlich von Kiew. Die Fläche: 207.600 Quadratkilometer. Die Nachbarn im Westen und Norden sind EU-Beitrittskandidaten: Polen, Litauen und Lettland. „Ein Korridor, wie Kaliningrad“ so Michalak. Eine historische und geopolitische Randlage.

Zu der passt eine Ästhetik, die auf Übergänge und Schwellen fokussiert – und sei es zwischen zwei Schrifttypen. „Die großen Unterschiede sieht man nicht“, sagt Michalak. Das heißt einerseits: Man kann sie nicht fotografieren.Ein komplett staatliches Krankensystem lässt sich nicht abbilden, die entzogene Reisefreiheit ebenso wenig. Das bedeutet aber auch die Weigerung Fremdheit als exotischen Blickfang zu inszenieren. Benno Schirrmeister

Kultur und Bildungsverein Ostertor, bis 3. Juni