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Archiv-Artikel

Nanodrähte aus Prionen für den Computer

Deformiertes Eiweiß soll die Siliziumtechnologie bei der Chipherstellung ablösen. Eine US-Forscherin stellte aus Prionen erstmals einen elektrischen Leiter her. Damit könnte die Anzahl von Schaltkreisen in einem Chip erhöht werden

Seit den Sechzigerjahren beherrschen Schaltelemente auf Basis von Silizium den Markt der Chiphersteller. Allerdings stellen elektrisch leitende Nanodrähte, die unterschiedlichen Bauteile miteinander verknüpfen, ein ernstes Hindernis dar: Werden nämlich die Schaltkreise weiter verkleinert, stoßen Halbleitertechniker innerhalb der nächsten Jahre aufgrund physikalischer Gegebenheiten an die Grenzen der konventionellen Lithografie.

Als Lösung bietet sich an, wirtschaftlich effektive Herstellungsmethoden für Moleküle eines Durchmessers von 10 bis 100 Nanometern und mit einer Länge von mehreren Millimetern zu entwickeln. Nun haben sich organische Substanzen als mögliche Drähte für integrierte Schaltungen vorgestellt. Der Vorteil: Diese Elemente könnten die bisherige kritische Größe noch unterschreiten.

Die Forschergruppe um die Biochemikerin Susan Lindquist von Whitehead Institut in Boston, im US Bundesstaat Massachusetts, benutzte Fäden aus Prionen als eine Matrix für Metalle und überzog die Proteinfasern mit Gold oder Silber. Auf diese Weise erhielt sie Elektrodrähte, die weitaus dünner als menschliches Haar sind – das ist weniger als ein Bruchteil der Drahtstärke, die bei herkömmlicher Herstellung erreicht wird. Normalerweise sind diese Fasern Isolatoren, leiten den Strom nicht. Aber durch den Edelmetallüberzug entstehen daraus elektrische Drähte. Dass sie als Matrizen die Prionen wählte, begründete die amerikanische Forscherin mit der Eigenschaft dieser Eiweiße, sich spontan zu verformen. Denn Prionen gelten als Auslöser der Creutzfeldt-Jakob-Krankheit beim Menschen und der Bovine Spongiforme Encephalitis (BSE) beim Rind. Dabei handelt es sich um spezielle körpereigene Eiweiße, die sich spontan oder durch Genmutation beschleunigt von einer löslichen aktiven Gestalt in eine unlösliche biologisch inaktive umlagern. Kommt diese unlösliche, fadenförmige Struktur nun mit weiteren löslichen Eiweißen in Kontakt, werden diese ebenfalls zu Fäden. Auf diese Weise entstehen diese gefährlichen Krankheiten.

Auch ein Prionentyp, der bei Bäckerhefen vorkommt, bilde lange dünne Fäden, so Susan Lindquist. Allerdings lösen diese keine Krankheiten aus und sind für den Menschen absolut ungefährlich. Sie und ihr Team haben einige Hefeprionfibrillen in ein Reagenzglas mit dem löslichen Hefeeiweiß gegeben und so bis zu einem Millimeter lange und nur einen zehntausendstel Millimeter dicke Fasern erhalten.

„Sie haben sich schnell aneinander gelagert wie Dominosteine und sind so zäh wie nur irgend möglich“, freut sich die Forscherin. Die Idee, aus organischen Fasern elektrische Leiter herzustellen, hat die Wissenschaftlerin bereits als Patent angemeldet. Dabei hofft sie, mit einigen Verbesserungen „ließen sich wirklich winzige Geräte bauen“. Hier denkt sie etwa an miniaturisierte Computerschaltkreise oder Sensoren.

Denn hier scheint nun ein „Quantensprung“ gelungen. Johannes Buchner, Biochemiker von der Technischen Universität München, bestätigt begeistert: „Ein vielversprechender Ansatz! Mit diesen neuen, auf Proteinfibrillen basierenden Materialien könnten elektronische Bausteine um Größenordnungen kleiner werden. Die Technologie ist neu und revolutionär. Grundlegende Fragen müssen noch geklärt werden, bevor man an den kommerziellen Einsatz denken kann.“

Allerdings gibt Intel-Sprecher Christian Anderka zu bedenken: „Schaltkreise aus Prionen sind schon eine originelle Idee. Aber aus unserer Sicht befinden sie sich noch im Stadium des Experimentierens. Ob und wann sie technisch eingesetzt werden, steht noch in den Sternen.“

JOACHIM EIDING