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Archiv-Artikel

Göring-Eckardt macht den Rentner-Schreck

Rentner rein ins Haushaltsloch: Finanzminister Eichel und die grüne Fraktionschefin wollen die Rente beschneiden

BERLIN taz ■ Es ist ein harter Satz. Vielleicht ist er Katrin Göring-Eckardt schwer gefallen, vielleicht sagte sie deshalb erst zwei andere: „Es gibt sehr alte Leute mit sehr kleinen Renten. Bei diesen Renten kann man nicht kürzen.“ Doch nach der sozialpolitisch-korrekten Einleitung schob die grüne Fraktionschefin und Rentenexpertin nach: „Es gibt sehr viele Rentnerinnen und Rentnern, bei denen eine Nullrunde bei der Rentenanpassung nichts ausmacht und bei denen man durchaus an eine Absenkung des Rentenniveaus denken kann.“

Göring-Eckardt gibt in einem Interview plötzlich den Rürup: Rentenformel, -erhöhung und -niveau müssten neu zur Debatte gestellt werden. „Wir werden 2010 nicht einen Rentenbeitrag von 19,8 Prozent hinnehmen.“ Damit prescht die Grüne vor. Das Thema Rentenkürzungen ist jetzt offiziell, obwohl die SPD-Spitze gerne noch schweigen würde. Die Debatte keimte bereits am Mittwoch auf: Das Finanzministerium bestätigte, dass Hans Eichel den seit Jahren anhaltenden Anstieg des Bundeszuschusses an die Rentenkasse stoppen will. Besagter Zuschuss frisst einen riesigen Batzen der staatlichen Ausgaben, im Haushalt 2002 rund 30 Prozent. Aktuell liegt er bei 73 Milliarden Euro, die Eichel hauptsächlich über die Ökosteuer finanziert. Der Bundeszuschuss ist seit 1997 um 30 Milliarden Euro gewachsen, er drückt also immer schwerer aufs Staatssäckel.

Doch laut Presseberichten reicht Eichel das Stoppen dieser Entwicklung allein nicht aus. Angesichts der 15-Milliarden-Euro-Lücke im nächsten Jahr, angesichts des drohenden verfassungswidrigen Haushalts will der Finanzchef den RentnerInnen noch ganz anders an den Kragen, heißt es. In SPD-Vorstand und -Parteirat habe Eichel angekündigt, Zuschüsse für die Riester-Rente zu kürzen und den Bundeszuschuss „unbedingt“ reduzieren zu müssen – was schmalere Renten bedeutet. Ein Ministeriumssprecher bemühte sich um Schadensbegrenzung: die Debatte um „Kürzungen nur bei den Rentnern“ sei „verfrüht“.

Der bisher unbestätigte Plan würde entweder den Beitragssatz steigen oder die Renten sinken lassen. Denn mit dem Bundeszuschuss werden versicherungsfremde Leistungen bezahlt, die der Bund den Rentenversicherern übertragen hat. Darunter fallen beitragsfreie Zeiten wie etwa die Kindererziehung, in denen der bzw. die Versicherte keine Beiträge zahlt, die aber auf die Rente angerechnet werden.

Massive Kritik kam vom DGB. Die Vizevorsitzende Ursula Engelen-Kefer nannte Eichels Überlegungen „in jeder Hinsicht kontraproduktiv“ und „alles andere als hilfreich“. Müssten versicherungsfremde Leistungen innerhalb der Rentenversicherung wieder ganz oder teilweise von den Beitragszahlern aufgebracht werden, würden die Lohnnebenkosten erneut steigen, warnte die Gewerkschafterin.

SPD-Rentenfachmann Peter Dreßen erwartet den Widerstand einer „klaren Mehrheit“ der SPD-Fraktion und kündigt eine „heiße Debatte“ an. „Angesichts einer Durchschnittsrente von 986 Euro droht bei Kürzungen eine neue Altersarmut.“ Auch Sozialministerin Ulla Schmidt reagierte unwirsch: Die Finanzspritze werde für bestimmte Aufgaben der Rentenversicherung gezahlt – und sie sehe keine, die wegfallen könne. ULRICH SCHULTE