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Archiv-Artikel

Gegen die Kriege der anderen

Die deutschen Kirchen sind immer für den Frieden – außer wenn Deutschland Krieg führt

BERLIN taz ■ Kirchentagsbesuchern, denen statt der Technomesse „jesus@cross.de“ oder einer „Getanzten Abendvesper mit Tango Argentino“ nach eher politischer Erbauung ist, sind gut aufgehoben beim Forum „Den Frieden stärken“. Dort hält am Freitag die Völkerrechtlerin Prof. Dr. Dr. Sabine von Schorlemer den Vortrag: „Die Stärke des Rechts gegen das Recht des Stärkeren“. Schon der Titel fasst die Position der Bundesregierung zum Krieg der USA im Irak zusammen. Ein Zufall ist das nicht. Die Haltung der Kirche zum Krieg war und ist eindeutig: Wir sind gegen Kriege – die andere führen.

Auf der ganzen Welt rückten beim internationalen Poker um den Irak die Kirchen an die Seite ihrer Regierungen. In den USA, wo im Oval Office nicht mehr Zigarren und Praktikantinnen, sondern morgens biblische Losungen gereicht werden, eint die konkurrierenden protestantischen Gemeinschaften ihre Unterstützung des Bush’schen Kriegskurses. Tony Blair kämpfte in einer skeptischen Öffentlichkeit mit frommen Argumenten für die britische Beteiligung am Krieg. Auf dem Kontinent hingegen – wo das nationale Interesse den Regierungen keinen bewaffneten Sturz Saddams empfahl – lieferten die Kirchen Argumente und Emotionen für Schröder und Chirac.

Schwieriger hat es die katholische Kirche, die nicht auf die Industrienationen begrenzt und überstaatlich organisiert ist. Das päpstliche Nein zum Wüstenkrieg offenbart jedoch die Grenzen des katholischen Einflusses: In Spanien und Italien schlugen Konservative, die sonst kniend die Hand des Papstes küssen, seinen Friedenswunsch aus. Dass ausgerechnet Polen – nach nationalkatholischer Wahrnehmung der ewig leidende „Christus der Nationen“ – jetzt seine passive Rolle verlässt und mit amerikanischen Waffen, amerikanischem Geld und amerikanischem Auftrag im Irak agiert, mutet an wie eine böse Schlusspointe von Wojtyłas Pontifikat.

Auch die Bundesrepublik ist ein Sonderfall in Sachen Kirche und Krieg. Bis in die Nazizeit blieb der organisierte Protestantismus überwiegend republikfeindlich, deutschnational und militaristisch. Nach der Niederlage von 1945 kippte die politische Ausrichtung dieses Milieus: Niemand symbolisiert diesen Wandel so gut wie der viel beschworene Martin Niemöller, der sich vom U-Boot-Kommandanten des Ersten Weltkriegs zum Pazifisten wandelte. Der Widerstand gegen die Wiederbewaffnung in den 50ern war protestantisch geprägt, noch stärker die Friedensbewegung der 80er gegen die Nachrüstung. In der DDR, wo schon Schüler militärische Übungen absolvierten, boten die Kirchen Einzelnen Schutz vor dem Zugriff des Staates.

Seit der Vereinigung ist Deutschland nicht länger nur Standort fremder Atomraketen, sondern führt wieder selbst Krieg. Auf dem Kirchentag in Stuttgart 1999 wurde Rudolf Scharping, der damals gerade Serbien bombardieren ließ, mit Beifall begrüßt. Auf dem Kirchentag 2003 wird wieder die Friedensbotschaft dominieren – schließlich führen gerade die anderen Krieg. ROBIN ALEXANDER