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Archiv-Artikel

Kriegsgrund erlogen

Noch kein Fund von Massenvernichtungswaffen im Irak. Rumsfelds Äußerungen bringen Kriegspartner Tony Blair in Erklärungsnotstand

BERLIN dpa/afp/rtr ■ US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld hat dem britischen Premier Tony Blair einen Bärendienst erwiesen. Mit seiner Äußerung, im Irak würden vielleicht keine Massenvernichtungswaffen gefunden, weil sie bereits vor dem Krieg zerstört worden sein könnten, hat Rumsfeld in Großbritannien für große Aufregung gesorgt. Während Blair als erster westlicher Regierungschef seit dem Krieg Irak besuchte, berichtete der Daily Mirror von einem „Krieg der Lügen“, und der Independent stellte die Glaubwürdigkeit Blairs in Frage. Von „Irreführung des Parlaments und des britischen Volkes“ war in Presse und Labour-Partei die Rede.

Während Blair im Irak vor britischen Soldaten den Krieg als einen „der entscheidenden Momente des Jahrhunderts“ würdigte, forderte der britische Ex-Minister Robin Cook eine parlamentarische Untersuchung. Die USA und Großbritannien hätten den Krieg mit einem drohenden Angriff des irakischen Machthabers Saddam Hussein gerechtfertigt. „Wenn Donald Rumsfeld nun zugibt, dass die Waffen nicht dort sind, ist die Wahrheit, dass sie wahrscheinlich schon seit langen nicht mehr dort gewesen sind“, sagte Cook der BBC.

Weiter berichtet BBC, ein vor dem Krieg veröffentlichtes Dossier über die Gefährlichkeit Saddam Husseins sei von Downing Street absichtlich dramatisiert worden. Gegen den Willen der Geheimdienste, auf deren Informationen der Bericht fußte, habe Blair ins Vorwort geschrieben, einige der irakischen Massenvernichtungswaffen könnten binnen 45 Minuten einsatzbereit sein. Downing Street bestritt in Abwesenheit des Chefs die Vorwürfe. Blair selbst beteuerte, er habe „absolut keinen Zweifel an der Existenz von Massenvernichtungswaffen“ im Irak.

Obendrein hat ein angeblicher Bunker der irakischen Führung in Bagdad, den die USA zu Beginn des Irakkriegs bombardiert haben wollen, offenbar nie existiert. An dem Ort seien weder ein Bunker noch menschliche Überreste gefunden worden, zitiert der US-Sender CBS Oberst Tim Madere, der die Stelle gemeinsam mit dem CIA untersuchte. Kurz nach dem Angriff am 20. März hatte Rumsfeld die Bombardierung des Hauptquartiers der irakischen Führung als Erfolg gemeldet.