Hoch am Wind

Seit der Ölkrise wird eine Renaissance des Windantriebes für Schiffe diskutiert. Jetzt tüftelt der Ingenieur Stephan Wrage an einer neuen Idee

von GERNOT KNÖDLER

Der Harburger Wirtschaftsingenieur Stephan Wrage will Tanker und Containerschiffe mit einem Drachen übers Meer ziehen. Die Idee ist so schlicht, dass man sich fragt, warum nicht längst einer darauf gekommen ist. Sie birgt allerdings gewaltige Herausforderungen: Um auf hoher See den Motor zu ersetzen, muss das fliegende Segel die Ausmaße eines Fußballfeldes haben. Stoffe und Seile müssen extrem witterungsbeständig sein, und das Ganze muss sich ohne viel menschliche Arbeitskraft einsetzen lassen. Der größte Feind für Wrages Idee ist jedoch ein Ölpreis, der so niedrig ist, dass er für die Kalkulationen der Reeder kaum eine Rolle spielt. In den vergangenen 40 Jahren ist deshalb kaum ein kommerzielles Segelschiff vom Stapel gelaufen.

Doch die Zeiten billiger Ölpreise gehen möglicherweise ihrem Ende entgegen. „Die meisten Ölvorräte sind auf dem Höhepunkt ihrer Förderung“, sagt Peter Schenzle von der Hamburgischen Schiffbauversuchsanstalt (HSVA), der sich seit Jahren mit emissionsfreien Antrieben für Schiffe beschäftigt. Die Frist belaufe sich auf Jahrzehnte, nicht Jahrhunderte. „Der Ölpreis arbeitet für uns“, sagt Wrage.

Dazu kommen Umweltprobleme: Der Seeverkehr verursacht knapp zwei Prozent der weltweiten Kohlendioxid-Emissionen. Das entspricht dem Ausstoß einer Industrienation wie Frankreich. Die Verbrennung von Schweröl in den Schiffsmotoren setzt Schwefel in Mengen frei, die an Land längst nicht mehr erlaubt sind, und 13 Prozent des weltweiten Stickoxidausstoßes. Die EU und die Internationale Schifffahrtsorganisation (IMO) arbeiten daran, das zu ändern.

„Wir entwickeln eine Industrietechnologie, welche die Probleme, die für die Reedereien in den nächsten zehn bis 15 Jahren auftauchen werden, löst“, sagt Wrage selbstbewusst. Sein „SkySails“ soll bis zu 50 Prozent Kraftstoff sparen. Damit amortisiere sich der Drache innerhalb von drei bis fünf Jahren.

Das Segel wird am Bug eines Schiffes verankert, mit Helium gefüllt und auf eine Höhe zwischen 100 und 500 Metern gebracht. Das verschafft ihm gegenüber einem konventionellen Segel einige Vorteile: Dort oben weht der Wind schneller, sodass sich viel mehr Kraft schöpfen lässt. Weil der Wind mit zunehmender Höhe allmählich drehe, könne sich der Kapitän den zu seiner Fahrtrichtung am besten passenden Wind aussuchen. Die Hälfte der 88.000 Handelsschiffe weltweit könnten mit dem System nachgerüstet werden. Eine Schräglage des Schiffes werde vermieden. Nachteil: Der Drachen taugt nicht für enge und küstennahe Gewässer.

Schenzle hält Wrages Idee für eine „sehr interessante Variante“. Ob sie den Durchbruch bringen wird, traut er sich nicht zu prognostizieren: „Ich hab in den vergangenen 30 Jahren schon viele große spektakuläre Projekte auf die Schnauze fallen sehen“, sagt er. Dazu gehört das Dyna-Schiff, bei dem die Segel in den Mast eingerollt werden können, und das nach 40 Jahren erstmals mit einer Yacht verwirklicht werden soll. Dazu gehören starre Segel, die bei Sturm in den Wind gedreht werden und Windräder, die die Schrauben antreiben.

Bisher sind sie alle am Ölpreis gescheitert.