: Weirdos an den Tasten
Kein pseudoakademisches Clicks-&-Cuts-Gedöns: Das Rotterdamer Trio „Coolhaven“ lässt am Sonntag in der Astra Stube seine Laptops los
„Coolhaven“ ist der Name eines Abschnittes im Hafengebiet Rotterdams. Die Gegend wirkt leicht heruntergekommen, aber irgendwie idyllisch. Ein bisschen kaputt und schön zugleich. Ähnliches gilt auch für die Musik des Trios, das seit einigen Jahren unter dem gleichen Namen sein Unwesen treibt.
Coolhaven ist das Projekt von Lukas Simons, seines Zeichens Musiker und Betreiber des Rotterdamer Plattenladens und Live-Clubs Worm, der vor einem halben Jahr in kleinere Räumlichkeiten umziehen musste, weswegen dort zur Zeit keine Live-Aktivitäten möglich sind. Zu Simons Trio gehören außerdem Hajo van Doorn und der Künstler und Schlagzeuger Peter Frengler von der Art-Rock-Gruppe S. Spier. Das Debüt-Album von Coolhaven trägt den unwiderstehlichen Titel Blue Moustache.
Simons, Frengler und van Doorn musizieren auf Laptops. Wer bei diesem Stichwort an jene Langweiler denkt, die die Arbeit ihren Maschinen überlassen, während die User selbst sich in gut aussehendem Kopfnicken üben, könnte verkehrter nicht liegen. Coolhaven produzieren nichts Dancefloor-Kompatibles und auch kein pseudo-akademisches Clicks-&-Cuts-Gedöns. Sie sind echte Weirdos, und ihre Musik klingt dementsprechend.
Was Coolhaven von vielen anderen Laptop-Künstlern unterscheidet, ist die Tatsache, dass wir es hier mit drei gesangsbegeisterten Herren zu tun haben, die stets zu jeder Schandtat bereit zu sein scheinen. Über wackelnde Beats und Free-Jazz-Samples stimmen sie da etwa dreistimmige Doo-Wops an, digitaler Calypso wird mit verfremdetem Geknödel kombiniert, der Refrain gepfiffen oder gar gefurzt. Eine gewisse Vorliebe für Theatralik ist bei alldem nicht zu überhören.
Statt sie zu bloßen Playback-Maschinen zu degradieren, spielen Coolhaven auf und mit ihren Kisten. Die Musik besteht nur selten aus vorgefertigten Tracks, die nur noch in einer bestimmten Reihenfolge abgespielt werden müssen. Von freier Improvisation kann bei Coolhaven aber auch nur bedingt die Rede sein: Die meisten ihrer Stücke haben Struktur und beziehen sich manchmal sogar direkt auf benenn- und wiedererkennbare musikalische Stile. Wie diese interpretiert werden, ist allerdings eine Sache für sich. So hätte eine Ballade wie „Massachussetts Love“ auch auf der ersten Ween-LP eine gute Figur gemacht. Der Groove in „Standing On A Wipwap“ stolpert wie bei Sensational. Und der anarchische Humor, der hier über allem schwebt, erinnert an die Residents. Definitiv anders als alles andere „Andere“. Freaks halt. MICHELE AVANTARIO
Sonntag, 22 Uhr, Astra Stube