Selbstgemachtes

Mein Neffe ist fünf, und ich werde ihm zu Weihnachten nichts Selbstgemachtes schenken. Wenn ich jetzt damit anfange, wird er es mir gleichtun: Ich werde die nächsten Jahre mit Salzteigwerken wie Aschenbechern, Porträtbüsten, Namensschildern und Briefbeschwerern überschüttet werden. Salzteig ist unzerstörbar, man kann ihn nicht weiterverschenken, und wegwerfen kommt nicht in Frage. Später, wenn mein Neffe in der Pubertät ist, wird er mir Jahr für Jahr den „Klassiker“ schenken: den selbst gemachten Kalender. Wo die Monate Januar bis April noch von Ideenreichtum, farbenfrohen Bildern und sorgfältig ausgewählten Gedichten zeugen, nimmt mit dem Monat Mai die Mühe und Originalität rapide ab. Oktober zeigt meist nur ein zerfetztes, aufgeklebtes Ahornblatt, November ziert ein grau in grau gehaltenes Aquarell und im Dezember prangt eine ranzige Taubenfeder auf der Seite. Woher ich das weiß? So habe ich das mit der Tante gemacht, die mir Selbstgemachtes geschenkt hat. MAB