heute in bremen: „Märchen sind Kulturerbe“
Ein altes sizilianisches Volks- märchen von einer starken Frau, die auch Männern imponiert
taz: Frau Warnken, Sie lesen im Haus der Wissenschaft. Märchen sind doch was für Kinder!
Gertrud Warnken, Märchenerzählerin: Heutzutage wird das leider oft so wahrgenommen. Bis vor 200 Jahren waren sie aber nur für Erwachsene gedacht. Bevor sich die Industrialisierung und Volksbildung überall durchgesetzt haben, haben sich die Menschen in den kalten Wintermonaten mit Geschichten unterhalten. In den Texten spiegeln sich die großen Menschheitsfragen, sie enthalten traditionelles Wissen. An Kinder hatte man weniger gedacht.
Sie haben eine Ausbildung zur Märchenerzählerin absolviert. Was lernt man dort?
Zum einen die Technik – Gestik, Mimik, Sprachrhythmus. Das ist wichtig, um die richtige Stimmung zu erzeugen. Märchen sind aber auch für die Wissenschaft interessant. Bevor man sie aufgeschrieben hat, wurden sie von fahrenden Leuten von Ort zu Ort gebracht. Heute tauchen bestimmte Motive in allen europäischen Ländern auf. Wir sollten das als gemeinsames Kulturerbe begreifen.
Was zeichnet einen guten Erzähler aus?
Er muss beim Erzählen genug Spielraum für die Fantasie der Zuhörer lassen. Wer ein Märchen hört, soll sich in seinem Innersten ein eigenes Bild dazu machen. Das gelingt Kindern viel besser als Erwachsenen. Die werden durch ihr logisches Wissen eingeschränkt.
Sie tragen heute ein Sizilianisches Volksmärchen vor. Warum ausgerechnet dieses?
Weil es von einer starken Frau handelt und es auch Männern imponiert. INTERVIEW: STH
Haus der Wissenschaft, Sandstraße 4, 11 Uhr, Eintritt frei
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