: Grüße aus der Bremenstraße
Bremen sei „eine der schönsten Städte Deutschlands“, glauben japanische Geschäftsleute. Und die Stadtmusikanten „kennt jedes japanische Kind“. Also nannten sie ihre Straße nach der Hansestadt
aus Tokio Simone Hilgers-Bach
taz ■ Es waren einmal vier Bremer Stadtmusikanten, die machten sich auf den Weg nach Japan. Dort, so meinten sie, könnten sie ja berühmt werden. Das klingt wie der Anfang eines Märchens der Gebrüder Grimm, ist tatsächlich wahr. In Japans Küstenstadt Kawasaki (1,2 Millionen Einwohner) steht eine Plastik der Bremer Stadtmusikanten – in der Bremenstraße! Dabei muss man allerdings wissen, dass Straßennamen in Japan selten sind; nur große und wichtige Straßen werden überhaupt getauft.
Die Bremenstraße in Kawasaki ist eine schmale, bunte Fußgängerstraße, die am Bahnhof Motosumiyoshi beginnt. Sie ist gesäumt von kleinen Geschäften, Supermärkten und Restaurants, in denen man sein Ticket fürs Essen am Automaten zieht und der Bedienung zur Bestellung vorlegt. Kawasaki ist mit Japans Hauptstadt Tokio, Yokohama und anderen Städten zu einem 30-Millionen-Moloch zusammen gewachsen.
Bis vor 15 Jahren hieß die Straße schlicht „Weststraße von Motosumiyoshi“. Dann drängte der Interessenverband der Geschäftsleute in der Straße auf eine Umbenennung. Berühmt sollte der neue Name sein, bekannt, und praktisch. Also Bremenstraße. „Wir wollten etwas Europäisches“, sagt Kazuyuki Yamada, Vorsitzender des Interessensverbands. Und das Märchen der Bremer Stadtmusikanten sei in Japan so berühmt, dass jeder den Namen kenne. „Außerdem ist Bremen eine der schönsten Städte in Deutschland, glauben wir“, erklärt Yamada. Und nicht zuletzt ist Bremen auch für Japaner ein leicht auszusprechendes Wort.
Kawasakis Partnerstadt in Deutschland ist Lübeck. Die Bremenstraße aber hat eine eigene Partnerschaft – mit der Bremer Lloyd-Passage. Zum 10-jährigen Straßennamen-Jubiläum 1998 fragte Bremen an, was die Geschäftsleute denn als Geschenk wünschten. „Wir sagten: ‚Die Bremer Stadtmusikanten‘“, erzählt Interessensverbands-Vize Hiroshi Ito. Eigentlich habe man an eine Kopie der Darstellung vor dem Bremer Rathaus gedacht. „Aber die Bremer Künstler wollten etwas Modernes für Japan machen.“ Die Wahl fiel schließlich auf den Vorschlag der Bremerhavener Kunststudentin Kirsten Brünjes. Deren Plastik war die kleinste aller angebotenen. „Wir haben hier nicht so viel Platz“, entschuldigt Ito. „Vor allem vielen älteren Japanern ist das zu modern“, sagt ein Kollege.
Wissen die japanischen Passanten denn überhaupt so genau, was sie da vor sich haben? Der Rentner Siyojz Fujisima nickt. „Esel, Hund, Katze und Hahn“, zählt er auf, und alles stamme aus einem Märchen der Gebrüder Grimm. Grafiker Eiji Kuroda bringt die Kurzversion der Story: „Vor langer, langer Zeit hatten die vier Tiere Ärger; sie waren Musiker. Deswegen gingen sie in den Wald. Dort sahen sie ein Licht und fanden ein Haus. Sie machten Musik und gewannen das Haus.“ Ein Märchen aus Bremen, weiß Kuroda, deswegen heiße ja auch die Straße so.
„Das in der Mitte sind Hund und Katze“, sagt Kanno Seijchi, genannt Kanchi. Er arbeitet gegenüber der Skulptur auf einer Baustelle und kennt das Märchen nur so ungefähr. Den Esel hält er für einen Büffel, den Hahn für „irgendeinen Vogel, vielleicht ein Kuckuck“. „Eine Bremer Musik-Band“, bringt er die Sache schließlich auf den Punkt. Steht ja am Sockel des Kunstwerks.
„Diese Straße heißt Bremenstraße – vielleicht sind es exotische Tiere aus Deutschland“, vermutet eine andere Passantin. Kann sie erkennen, welche Tiere dargestellt sind? „Oh, das sind sicher Fantasiewesen“, sagt Kazue Yamazaki. Und: „Vielleicht gibt es in dieser Straße noch mehr davon.“