: Für ein paar Tupfer Blattgold
Der Modellierer und sein Künstler: An Bernhard Heiligers Bürgerschaftsfries legt Bildgießer Hermann Noack selbst letzte Hand an. Gereinigt und glänzend kehren die Reliefs Mitte der Woche nach Bremen zurück
Von der Autobahn dröhnt der Verkehr. Autos, Laster, Krankenwagen rasen in Sichtweite an der Bildgießerei Hermann Noack vorbei. Den 72-jährigen Senior-Chef scheint dieser Krach jedoch nicht zu stören. Ein Teil des Bremer Bürgerschaftsfrieses hängt, an einem Kran in der Frühlingssonne, vor ihm, im Hof des Berliner Unternehmens. Den Rücken leicht gebeugt, die Haare lang, weiß und dünn legt Noack selbst letzte Hand an, an dem Kunstwerk. Hermann heißt auch er, so wie sein Vater, wie sein Großvater und wie sein Sohn: Ein Traditionsbetrieb verpflichtet.
Mitte der Woche kehren die Reliefs von Bernhard Heiliger nach Bremen zurück. Hermann Noack III taucht einen Pinsel in einen Klarlackeimer und trägt Schicht für Schicht eine dunkle wässrige Lasur auf. Wind und Wetter hatten dem Werk 38 Jahre lang zugesetzt. Seit zwei Monaten renoviert Noack das 15-teilige Fries. Nicht ungestört allerdings. Immer wieder wird er, weites schlabbriges Sweatshirt, weite graue Cordhosen, abgelenkt. Immer wieder knarrt die Lautsprecheransage über den mit Plastiken vollgestellten Hof: „Herr Noack ans Telefon bitte, ein Ferngespräch.“ Er muss Professoren auf Werkstattbesuch begrüßen, Rechnungen unterschreiben, sich mit Mitarbeitern abstimmen.
Noacks braungebrannte Hände schließen die Renovierung ab. Zuvor hatten seine Mitarbeiter das Fries erst mit dem Kärcher und später mit sanft rotierenden Plastikbürsten von Dreck, Flechten und Ruß befreit. Der Senior-Chef kümmert sich um die Schattierungen auf der Aluminiumoberfläche.
Das ist bitter nötig. Denn nach der Reinigung stand das Relief plötzlich hell glänzend in Noacks Hof. Das dem Vorbild Henry Moore nachempfundene Prinzip der dunklen Tiefen und hellen Höhen war dahin. Ja, sogar in sein Gegenteil verkehrt: Während sich der alte Schutzlack und mit ihm die Leuchtkraft des Metalls in den Ritzen relativ gut gehalten hatte,waren die hohen Flächen durch Umwelteinflüsse gnadenlos dunkel verfärbt.
Ursprünglich hatten der Landeskonservator und die Heiliger-Stiftung möglichst viel Patina erhalten wollen. Aber das war aus diesem Grunde schwierig. Mit Farbe musste Noack dem beabsichtigten Effekt nachhelfen. Was jetzt noch fehlt? Etwas Blattgold. Ganz zum Ende der Arbeit wird Noack einige kreisrunde hohe Flächen glänzend betupfen. Vor 38 Jahren hat er das schon einmal gemacht. Denn in seiner Werkstatt wurde das Relief der Bremer Bürgerschaft – die dritte von Heiligers großen Aluminium-Plastiken – gegossen. Akribisch hat Heiliger die Arbeit damals überwacht.
„Ein netter, ein sehr angenehmer Mann“, sagt Noack in die Schleifgeräusche aus der Werkstatt hinein. Auch Ziseleur Ralf Fullrich hat noch viele Erinnerungen an den Bildhauer. Ruhig, ernst und gedankenversunken sei er gewesen. So versunken, sagt Fullrich lächelnd, dass er manchmal sogar vergessen habe, nach derArbeit eine Werkstattrunde auszugeben.
Noack blinzelt in die Sonne, stellt sich in zehn Meter Entfernung vor das Relief-Teil. „Kommen Sie“, sagt er, „man darf nicht immer nur mit der Nase drauf gucken. Man muss das bemalen wie eine Kulisse. So richtig übertrieben.“ Frauke Herweg