: „Wichtig ist der eigene Spaß“
Bei ihren Seminaren bringt sie Frauen bei, sich nach Mozart, Rammstein oder Prince auszuziehen. Ihre Hochzeitstänze oder Sadomaso-Tanznummern werden für Familienfeiern und Firmenjubiläen gebucht. Ein Gespräch mit der Stripperin Viola Voigt
Interview KIRSTEN KÜPPERS
taz: Frau Vogt, wie läuft das Geschäft?
Viola Voigt: Ganz gut. Das war im letzten Jahr schlimmer. Durch diese Euro-Sache waren die Menschen doch sehr irritiert und haben gespart, wo es geht. Ich glaube, diese Zeiten sind langsam vorbei. Der Trend geht wieder dahin, Qualität zu buchen.
Ihre Stripteaseseminare erfahren auch regen Zulauf. Was passiert denn in einem Stripteaseseminar?
Es gibt ja andere Kurse in der Branche, die sich an professionelle Frauen richten oder an Hausfrauen. Dort lernt man Tanzfiguren. Bei mir wird die Sache anders aufgezogen. Ich vermittle Hintergrund. Es war ja nicht immer so, dass sich die Frau einen Billigbikini von H&M überzieht, zweimal einhändig ein Rad schlägt, einmal Spagat macht und dann die Tube Nivea-Creme reicht. Sportlich ist das sicherlich eine tolle Leistung, aber mit dem Striptease, wie er mal war, hat das gar nichts zu tun.
Wirklich gar nichts?
Um die Jahrhundertwende war es spannend, wenn die Männer in einem Etablissement unter vielen Rüschenröcken ein Stück Bein sehen durften. Deswegen schlagen heute viele Stripperinnen immer noch ein Rad. Was natürlich absurd ist, wenn die Frau keinen Rock anhat.
Und was tun Sie dagegen?
Ich versuche den Studentinnen, Hausfrauen, Lehrerinnen, Arbeitslosen, die zu mir in die Kurse kommen, etwas ganz anderes beizubringen – nämlich ihren persönlichen Ausdruck zu finden. Ich mache keine Figuren vor, ich sage nur: „Ich will, dass du tanzt, wie du bist. Dann kann dich niemand kritisieren.“
Und ans Publikum wird gar nicht gedacht?
Überhaupt nicht. Es reduziert sich auf den eigenen Spaß, die eigene Sexualität. Die Musik spielt natürlich auch eine Rolle.
Was für Musik wird am liebsten genommen?
Alles. Die Frauen können nach Mozart, nach Rammstein oder nach Prince strippen, wenn sie wollen. Hauptsache, es läuft nicht so wie in den Table-Dance-Bars, wo Frauen zu allem tanzen.
Was haben Sie gegen den gewöhnlichen Strip in Table-Dance-Bars?
Frauen versuchen dort, ein Klischee zu bedienen. Aber wenn man einem Stereotyp nacheifert, wird man angreifbar. Weil immer unten ein Mann sitzt, der sagt, die ist nicht blond genug.
Aber es gibt doch auch den Trend, Striptease als Ausdruck weiblichen Selbstbewusstseins zu begreifen. Es gibt Popstars, die sich damit brüsten, früher mal Stiptease getanzt zu haben.
In den Table-Dance-Clubs, von denen ich spreche, ist das nicht so. In den Fünfzigerjahren, solange Striptease etwas mit erotischem Ausziehen, mit Show, mit Licht, mit Weiblichkeit, mit Federboas und Glamour zu tun hatte – so lange hatte Striptease auch etwas Persönliches. Der Film hat irgendwann diese Rolle übernommen. Viel schneller, präziser und wiederholbarer. Um die zunehmende Freizügigkeit im Film zu überholen, musste sich der ganze Bar- und Nachtlebenbetrieb etwas einfallen lassen. Etwas, das im Film noch nicht gezeigt werden durfte. Das war dann die Pornografie. Interessant war nur noch der gynäkologische Blick. Damit konnte die Kundschaft wieder angelockt werden.
Das ist natürlich tragisch, weil damit überhaupt nichts Tänzerisches vom Striptease übrig geblieben ist. Dabei hatte ursprünglich alles einmal als harmlose Familienunterhaltung angefangen.
Zurück zum Publikum. Vor wem tanzen Sie?
Ich habe zwei bis fünf Auftritte die Woche. Unser Unternehmen hat sich spezialisiert auf Familienfeiern, Firmenjubiläen, Sommerfeste. Taxiunternehmen buchen uns, Versicherungsunternehmen, bei der Polizei und der Feuerwehr bin ich auch oft aufgetreten.
Sie haben sogar einen Hochzeitsstriptease im Angebot. Was passiert da?
Ich versuche, in einem Zeitraum von einer Viertelstunde eine Geschichte zu erzählen. Der Strip besteht aus zwei verschiedenen Rockacts. Ich komme als Braut verkleidet und Hochzeitsmarsch rein mit Schleier und Kleid und Schleppe und Blumenstrauß. Zu einem Lied von „Rosenstolz“ kommt dann plötzlich unter dem weißen Brautkleid rotes Lackleder zum Vorschein.
Welche Ihrer Nummern wird am liebsten gebucht?
Unser Billigangebot: der Polizeiüberraschungsstrip für 97,50 Euro, inklusive Anfahrt und Mehrwertsteuer.
Ist SM noch in Mode?
SM war unterschwellig immer da. Das Ganze ist nur öffentlicher geworden, in den Medien präsenter. Ich selbst habe zwei Inszenierungen im Programm, die mit dem Thema umgehen. Das eine ist sehr hübsch und der Renner bei den Geburtstagen von 18-Jährigen. Zuerst komme ich in Ledercorsage, Umhang und Reitgerte, tanze zu der Musik von Godzilla, mache Drohgebärden usw. Dann tanze ich zu einem Lied von Element of Crime, sehr behutsam.
Die zweite Inszenierung ist eine Interpretation vier verschiedener Titel von Rammstein. Das ist natürlich etwas, was den Intelligenzgrad des Gegenübers schnell überfordert. Da muss man schon ein bisschen mehr wissen über Dominas. Ich selbst tanze übrigens aus ganz eigennützigen Gründen. Ich zeige die vielen Seiten von mir. Ich bin Domina, die verschmähte Braut oder die Frau, die nach „Sexbomb“ tanzt und mit Marshmallows um sich wirft.
Marshmallows?
Das ist meine Lieblingschoreografie. Der so genannte Friedensengel. Ich bin doppelt so dick und doppelt so alt wie andere Stritpeasetänzerinnen. Wenn man etwas nicht wegschummeln kann, muss man es betonen. Deswegen nehme ich die Marshmallows mit und tanze zu „Sexbomb“. Das Ganze bekommt immer einen Riesenapplaus.