: Wo steht sie denn, die FDP?
Stabile Umfrageergebnisse, aber in der niedersächsischen Landesregierung von der Wulff-CDU erdrückt
von Kai Schöneberg
Die Zeiten von Guidomobil und Fallschirmsprüngen sind vorbei. „Das Projekt 18 hat viele begeistert“, meint Philipp Rösler. Dann sagt der FDP-Fraktionschef im niedersächsischen Landtag, was derzeit viele Liberale umtreibt: „Aber von diesem Fehler müssen wir uns erst mal erholen.“
Das Jahr hat mit dem Debakel in Hamburg schlimm begonnen. Weitere Watschen im Superwahljahr dürften folgen. Nicht nur, weil sich die Machtoption in Berlin derzeit nicht stellt – die einstige Spaßpartei ist auch in vielen Bundesländern kaum wahrnehmbar (siehe unten).
Zum Beispiel Niedersachsen: Auch nach gut einem Jahr in der Regierungsverantwortung haben die kleinen Gelben derzeit massive Probleme, nicht von der übermächtigen Wulff-CDU erdrückt zu werden. Die FDP findet auch kaum statt, weil die Journalisten im Landtag oft die Blöcke einpacken, wenn ein FDPler – meist ist es Rösler – spricht. Wahrscheinlich erzählt der Liberale eh nur eine Variation dessen, was gerade der CDU-Vorredner gesagt hat.
Zum Thema „Wo steht eigentlich die FDP?“ hatte Rösler deshalb vergangenen Montag in Hannover eingeladen. Wobei die Lesart des 31-jährigen Fraktionschefs eine ganz eigene ist. Kritik an der Arbeit der Niedersachsen-FDP gibt es kaum – dafür an der Arbeit des Vorsitzenden Westerwelle. „Authentische Herzenswärme, das strahlt er nicht gerade aus“, sagt Rösler. Die FDP stehe auf Bundesebene nur für wirtschaftsliberale Tendenzen, es fehle die „Lagerfeuermentalität“.
Echte Nestwärme strahlen die Landes-Liberalen auch nicht aus. Vielmehr lassen sie sich oft von den Christdemokraten majorisieren. Oben schlägt Unten, das galt zwischen Harz und Nordsee in der Vergangenheit immer dann, wenn die Liberalen versuchten, aufzumucken. Ob beim Kopftuch oder im Streit um die Verschärfung des Polizeigesetzes – letztlich fanden die Proteste der FDP kaum Gehör. „Meinungsverschiedenheiten regeln wir im Koalitionsausschuss“, höhnt es dazu aus der CDU-Fraktion.
Während CDU-Minister mit dem Umkrempeln von Verwaltung oder Schulwesen klotzen, sehen die FDP-Ressortchefs oft ziemlich blass aus. Wirtschafts- und Verkehrsminister Walter Hirche tat sich in der Vergangenheit mit der Abschaffung von Toiletten in Stehbäckereien oder mit dem Ende des Farbzwangs für cremefarbene Taxen in Niedersachsen hervor. Ansonsten blieb ihm kaum mehr, als gegen die Bundesregierung zu stänkern – zuletzt bei den Kürzungen im Straßenbau. Achtungserfolg: Hirche stoppte im Verbund mit Länderkollegen den totalen Wegfall von Bundesmitteln für ehemalige Zonenrandgebiete im Westen.
Als echter Problemfall gilt Umweltminister Hans-Heinrich Sander. Unvergessen sein Auftritt mit „Kerngesund“-Shirt im Schacht Konrad. Unter diesem Minister finde keine Umweltpolitik statt, höhnen die Umweltverbände, denen Sander Zuschüsse strich, während er eigenhändig dem bislang völlig unbekannten Naturverein Rheiderländer Marsch 50.000 Euro zuschusterte.
Sander betreibe eben eine „andere Form der Umweltpolitik“, sagt Rösler. Und dann verweist der Liberale darauf, dass die Niedersachsen-FDP derzeit bei Umfragen konstant bei acht Prozent liegt – dem Ergebnis, mit dem sie vor einem Jahr erstmals seit 1994 wieder in den Landtag einzog. Die FDP in Niedersachsen habe „nie eine bessere Zeit“ gehabt.
Weiter verweist Rösler darauf, dass die Liberalen sehr wohl „viele kleine Akzente“ gesetzt hätten. Vor allem gebe es „gesellschaftspolitische Unterschiede“ zur CDU: Mit der FDP werde es keine Gen-Datei für jugendliche Straftäter geben. Die Partei habe die Kürzungen bei den Aids-Hilfen und für Behinderte im Land gemildert. Und sonst will die Partei – so ihre jüngste Initiative – Pappsärge und Friedwälder zulassen, die „als Ort der Totenruhe kenntlich sein“ sollen.
Fazit: Vielleicht schützt gerade die Ruhe die Liberalen in Niedersachsen vor dem freien Fall. Rösler: „Man muss nur aufpassen, dass Wulff nicht so toll wird, dass er bei der nächsten Wahl die absolute Mehrheit einfährt“.