: Theater als Sendeplatz
Finale des Werkstatt-Festivals „feuer+flamme“: „BTV“–Eine interaktive Live-Fernsehshow auf Kampnagel
Muss das schön gewesen sein! Damals, als Fernsehen noch ein kommunikatives Gemeinschaftserlebnis mit Seltenheitswert war. Heute hingegen sitzt man allein vor seinem Gerät und lässt sich willenlos dauerberieseln. Wie kann man diesem Negativtrend entgegenwirken? Glotze ausstellen?
So einfach machten es sich die SchauspielerInnen Iris Minich und Arvild Baud nicht, als sie sich entschlossen, beim diesjährigen „feuer+flamme“-Festival auf Kampnagel etwas zum Thema Fernsehen zu inszenieren. Eigene Sehgewohnheiten in Frage zu stellen und sich bewusst zu machen, wie man in Zukunft mit dem Medium Fernseher umgehen möchte – darum geht es in ihrem Projekt BTV (deutsch: Sei dein Fernseher). Zusammen mit Charles Kissing (Produzent/Bühnenbild) zeigen sie, wie viele Möglichkeiten die Mattscheibe durch neue technische Entwicklungen und Eigeninitiative bieten kann.
Das Publikum wird hierfür in ein „Studio“ gebeten, in dessen Mitte ein großer Fernseher steht, der sprechen kann. Dieser zeichnet die ungefähr vier Stunden dauernde, verschiedene Fernsehgenres durchlaufende Performance der Schauspieler auf und bindet die Zuschauer mit ein. Sie können sich unter anderem selbst auf dem Bildschirm bewundern, Dialoge mit den Akteuren sprechen oder per Handabstimmung das Programm wählen.
Aber gibt es so etwas nicht schon? Shows, bei denen die Zuschauer beispielsweise durch Anrufe Sternchen zu Stars oder Verzagte zu Verlierern machen? „Klar“, bestätigt Minich, „aber das ist dann nur eine Reproduktion der Sendung. Bei uns sollen auch Leute ins Fernsehen kommen, die sonst keine Möglichkeit dazu haben.“ Der Name ist also Programm, jeder Betrachter soll die Chance bekommen, gesehen zu werden. Die tatsächliche Bereitwilligkeit des Publikums, selber aktiv zu werden, wird sich erst bei der Aufführung zeigen. Doch falls die Besucher gut mitspielen, wäre es für Minich und Baud ein Traum, das Projekt zu einem ständigen Format mit eigenem Sendeplatz zu machen. Auch wenn das die Gefahr birgt, selber zum Mainstream zu werden, von dem man sich abgrenzen wollte: „Sicher kann man nicht ausschließen, dass sich die Ideale, mit denen man etwas Neues beginnt, irgendwann abschleifen“, räumt Minich ein. „Aber wie in der Liebe lohnt es sich doch, es trotzdem zu riskieren.“
Maren Albertsen
Premiere: Morgen, 19 Uhr, Kampnagel; Sendeschluss: 23 Uhr