Abgrenzung bleibt aus

Gewaltbotschaften in Veddeler Jugend-Videos: SPD und GAL verweigern Distanzierung von sexistischen und nationalistischen Inhalten. Jugendamt bewertet Gewaltvideos als Privatsache

VON MARCO CARINI

Der Antrag wurde abgelehnt. Als die CDU-Fraktion die Bezirksversammlung Hamburg-Mitte Ende voriger Woche aufforderte, sich von „Angebotsinhalten für Kinder und Jugendliche“ zu distanzieren, „die Gewalt, Kriminalität, Extremismus“ oder Rassismus verherrlichen, blieben die Finger der Abgeordneten der rot-grünen Mehrheitsfraktionen unten.

Der parlamentarische Appell war aus Sicht der CDU notwendig geworden, nachdem mehrere Medien über Videos mit Gewaltbotschaften sowie sexistischer und nationalistischer Einfärbung, die im Haus der Jugend (HdJ) Veddel entstanden sind, berichtet hatten. „Weder die SPD noch die GAL haben sich damit von der Herstellung von Rap-Videos mit gewaltverherrlichenden und frauenfeindlichen Inhalten distanziert und Konsequenzen gezogen“, klagt CDU-Jugendexperte Peter Herkenrath.

Der GAL-Fraktionsvorsitzende Michael Osterburg hingegen „kann den Sinn des Antrags zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht erkennen“. Das Problem sei „durch die Entlassung des dafür verantwortlichen Mitarbeiters bereits seit Mai gelöst“, der CDU gehe es augenscheinlich nur darum, „die erfolgreiche Arbeit des Veddeler Hauses der Jugend zu diskreditieren“. Osterburg: „Bei solchen durchsichtigen Spielen spielen wir nicht mit.“

Bereits Anfang Dezember hatte Rot-Grün im Regionalausschuss einen CDU-Antrag abgelehnt, in dem die Verwaltung aufgefordert wurde, „einen Bericht über die Vorgänge im Haus der Jugend und die gezogenen Konsequenzen vorzulegen“. Doch trotz der erneuten Blockade wird die rot-grüne Bezirkskoalition um eine weitere Debatte der inkriminierten Videobotschaften, die noch immer im Internet kursieren, nicht herumkommen. Die CDU-Fraktion hat jetzt eine große Anfrage zu den „Videos mit fragwürdigem Inhalt“ gestellt, deren Antwort sie im Januar in der Bezirksversammlung diskutieren will.

Darin will sie wissen, nach welchen Kriterien die „musikalischen Projektleiter“ eingestellt wurden und wie viele Steuergelder in die Produktion der umstrittenen Videos flossen. Zudem beklagt die CDU, dass der Jugendhilfeausschuss Mitte, dessen Vorsitzender SPD-Bundestagsabgeordneter Johannes Kahrs ist, von den im Frühsommer bekannten Problemen im Haus der Jugend, die zur Trennung von zwei pädagogischen Mitarbeitern führten, „nicht informiert“ wurde. Warum diese Information unterblieb, will die CDU beantwortet haben.

Wie die eingeforderten Antworten des Bezirksamtes aussehen könnten, darauf gibt eine Stellungnahme der zuständigen Jugenddezernentin Christa-Maria Ruf einen Ausblick, die am Freitag – einen Tag nach der Ablehnung des CDU-Antrags – veröffentlicht wurde. Darin räumt Ruf erstmals öffentlich ein, dass von dem inzwischen ausgeschiedene Haus der Jugend-Mitarbeiter „Faro“ Texte „unterstützt wurden, die nicht mit dem in der pädagogischen Auseinandersetzung vertretenen Menschenbild übereinstimmten“. Den Mitarbeitern des HdJs sei bekannt gewesen, dass die in der Rap-Gruppe „Veddelstreetz“ zusammengeschlossenen Jugendlichen sich „von Tendenzen der Hip-Hop-Kultur beeinflussen ließen, die als Gewalt verherrlichend und sexistisch zu beurteilen sind“ – solche Inhalte würden sich auch auf der „privaten Website der Jugendlichen“ wiederfinden.

Dem Haus der Jugend würde es um eine „kritische Auseinandersetzung“ mit „den Jugendlichen über ihre Texte“ gehen. Es habe aber „keinen direkten Einfluss darauf, was die Jugendlichen außerhalb des Hauses und in ihrer Freizeit produzieren und ins Internet stellen“.

Doch diese Abgrenzung zwischen privaten und vom HdJ geförderten Aktivitäten muss bezweifelt werden: Nach Informationen der taz wurde im vergangenen Frühjahr mindestens eines der Gewaltvideos unter tätiger Mithilfe des HdJ-Leiters, Jürgen Hensen, erstellt und geschnitten. Hensen selbst aber darf sich zu diesem Vorwurf nicht äußern – er erhielt vom Bezirksamt einen Maulkorb gegenüber der Presse.