: Unangenehme Fragen für Jürgen Schrempp
Kritische Daimler-Aktionäre fordern vor Hauptversammlung Öffnung der Archive. Unmut wegen halbierten Kurses
BERLIN taz ■ Eduardo Fachal ist weit gereist, um an Jürgen Schrempp einige Forderungen zu stellen: Der Konzern soll seine Archive öffnen, um eine Untersuchung von Opfern der Militärdiktatur in Argentinien zu ermöglichen. Und er soll erklären, ob er möglicherweise zu Entschädigungen bereit ist. Der Rechtsanwalt aus Buenos Aires will die heutigen Hauptversammlung der DaimlerChrysler AG als Forum nutzen, um erneut ein umstrittenes Thema ansprechen – die mögliche Verantwortung des Unternehmens für das „Verschwinden“ von 15 Betriebsräten während der Militärdiktatur in Argentinien.
Das Thema wird nicht zum ersten Mal den Vorstand beschäftigen. Der Konzern hatte 2003 ein Gutachten des Völkerrechtlers Christian Tomuschat vorgelegt. Dieser sieht keine Belege dafür, dass Daimler die Militärdiktatur zur Beseitigung unliebsamer Betriebsräte benutzt habe.
Fachal, zur Zeit der Diktatur selbst Betriebsrat von Mercedes-Benz, zweifelt wie andere auch an den Methoden Tomuschats. Dieser habe zu wenig mit den betroffenen Mitarbeitern gesprochen. Deshalb müssten die Archive geöffnet werden. Außerdem will Fachal die Klage thematisieren, die Angehörige und Opfer am 14. Januar in den USA eingereicht haben.
Bei seinem Vorhaben wird der Argentinier unterstützt von den Kritischen AktionärInnen der DaimlerChrysler AG (KADC), die erneut grundsätzliche Kritik an Schrempp & Co üben. Sie werfen dem Unternehmen beharrlich unter anderem die Beteiligung an dem Luftfahrt- und Rüstungskonzern EADS und damit verbundene Geschäfte mit Minen und Atomwaffentechnologie vor. Der Konzern müsse „entrüstet“ werden, fordern sie.
Außerdem sollen den KADC zufolge serienmäßig Rußfilter in alle Diesel-Pkw eingebaut und der Flottenverbrauch deutlich gesenkt werden. Dass sich die Gruppe durchsetzt, ist freilich fraglich. Von den 1,9 Millionen Aktionären haben bislang knapp 2.000 ihr Stimmrecht den kritischen Aktionären übertragen.
Eine breitere Zustimmung dürfte die Vereinigung hingegen in ihrer Einschätzung der wirtschaftlichen Situation finden. Seit der Fusion mit Chrysler sei der Börsenwert um mehr als 50 Prozent gesunken und 80.000 Arbeitsplätze vernichtet worden, sagt KADC-Sprecher Jürgen Grässlin. Gleichzeitig habe sich das Einkommen Schrempps „mutmaßlich um das Fünffache erhöht“. So teure Manager könne sich das Unternehmen nicht mehr leisten. STEPHAN KOSCH