: Welteke kaum noch zu halten
Nach der Adlon-Affäre leitet Staatsanwaltschaft Frankfurt Verfahren gegen Bundesbankchef ein. Der schließt inzwischen einen Rücktritt nicht mehr aus
FRANKFURT/MAIN rtr/dpa/afp ■ Bundesbankpräsident Ernst Welteke steht vor dem Aus. Der Vorstand der Zentralbank will heute über Konsequenzen aus dem umstrittenen Berlin-Aufenthalt Weltekes beraten. Die Bundesregierung dringt auf eine schnelle Entscheidung.
Mittlerweile ist der 61-Jährige auch ins Visier der Justiz geraten. Die Frankfurter Staatsanwaltschaft hat gestern ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. Es bestehe der Anfangsverdacht einer Vorteilsannahme bei Weltekes Silvestersause. Zugleich wurden Ermittlungen gegen die Dresdner Bank aufgenommen. Nach einer Krisensitzung des Bundesbankvorstands sagte Welteke gestern: „Ich schließe einen Rücktritt nicht aus.“
Die Dresdner Bank hatte anlässlich einer Feier zur Euro-Bargeldeinführung Silvester 2001 die Kosten für einen viertägigen Aufenthalt Weltekes mit Familie im Berliner Hotel Adlon in Höhe von 7.661,20 Euro bezahlt. Welteke hatte den Vorgang eingeräumt und den privaten Anteil der Rechnung beglichen, während die Bundesbank den dienstlichen übernahm.
Nachdem er die großzügige Einladung zunächst gerechtfertigt hatte, zeigte Welteke sich gestern zerknirscht. Er bedauere, dass in der Diskussion der Eindruck entstand, er sei den hohen Maßstäben der Bundesbank als unabhängiger Institution nicht verpflichtet: „Dies tut mir Leid.“
Der Bundesbankvorstand teilte nach einer mehrstündigen Sitzung in einem Satz mit, er habe die Vorwürfe gegen Welteke erörtert und werde sie prüfen.
Der parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Volker Kauder, forderte den Bundesbankvorstand auf, Welteke zu entlassen. Mehrere CDU-Bundestagsabgeordnete warfen Welteke vor, gegen den Vertrauenskodex der Europäischen Zentralbank (EZB) verstoßen zu haben. Das auch von Welteke unterzeichnete Regelwerk verbietet Mitgliedern des EZB-Rats die Annahme von Geschenken oder Vergünstigungen. So heißt es unter Punkt 4.1.: „Die Mitglieder des EZB-Rates vermeiden alle Situationen, die zur Entstehung von Interessenkonflikten führen können. Interessenkonflikte entstehen, wenn die Mitglieder des EZB-Rates private oder persönliche Interessen haben, die die unparteiische und objektive Ausübung ihrer Pflichten beeinträchtigen oder diesen Anschein erwecken können. Private oder persönliche Interessen umfassen jeden möglichen Vorteil für sie selbst, ihre Familien, sonstige Verwandte oder ihren Freundes- und Bekanntenkreis.“
Indes sprang Staatsrechtler Klaus Stern Welteke bei: Der Bundesbankpräsident unterliege nicht dem Beamtengesetz und dessen Verbot, Geschenke anzunehmen, sagte er. Im Bundesbankgesetz sei ausdrücklich geregelt, dass Vorstandsmitglieder sich in einem öffentlich-rechtlichen Amtsverhältnis befänden, das kein Beamtenverhältnis sei.
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