Off-Kino
: Filme aus dem Archiv – frisch gesichtet

„Le Sang d’un Poète“ (OF) 9. 4. im Arsenal

Shakespeares „Richard III.“ gehört zweifellos zu den dankbarsten Rollen eines Schauspielers. Ist der Herzog von York doch nicht nur einer der bösesten Charaktere in der Theatergeschichte, sondern auch eine der verschlagensten und ironischsten Figuren des Dramatikers. In „Looking for Richard“ (1996) versucht sich auch Al Pacino an der Rolle des Erzschurken und nimmt als Ausgangspunkt für seinen Film einige Interviews mit Straßenpassanten, die Shakespeares Stücke größtenteils für langweilig und schwer verständlich halten. Also versucht Pacino, seinen „Richard“ zugänglicher zu gestalten: Neben den wichtigsten Szenen aus Shakespeares Drama zeigt er Leseproben und Diskussionen mit seinen Schauspielern (u. a. Kevin Spacey), er interviewt Shakespeare-Experten und unterhält sich mit britischen Kollegen (darunter Kenneth Branagh), er sucht nach Schauplätzen und fährt nach London zum Globe-Theatre, um sich inspirieren zu lassen. Leider erweist sich das Theater als Baustelle, und in Momenten wie diesen offenbart sich immer wieder der ironische Umgang Pacinos mit seinem Material. Einmal quatschen zwei Frauen auf einer Party derart blödes Zeug über Shakespeare, dass sich der Mime verzweifelt in die Arme eines Freundes wirft und ausruft: „Hol mich hier raus, aus diesem Dokumentarfilm!“ Man muss Pacinos Interpretationen nicht unbedingt folgen, doch sein Film ist rasant, dramatisch, lehrreich, manchmal komisch und niemals langweilig. Allein dies macht „Looking for Richard“ seines Gegenstandes durchaus würdig.

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„Ministry of Fear“ (OF) 11. 4.–12. 4. im Filmkunsthaus Babylon

Nach „Man Hunt“ und „Hangmen also die“ ist „Ministry of Fear“ (1944) Fritz Langs dritter in Europa spielender Anti-Nazi-Film: eher ein Paranoia-Thriller mit Plot-Zutaten à la Hitchcock als ein ernstes Propaganda-Werk. Da gibt es: eine Torte mit eingebackenem Geheimnis, die von einem falschen Blinden geraubt wird, eine Nazi-Organisation, die sich hinter einem Wohltätigkeitsverein für Mütter verbirgt, und einen Helden, der der Wahrheit hinterherjagt, weil er selbst bald von allen Seiten gehetzt wird. Dem gerade aus einer psychiatrischen Anstalt entlassenen Stephen Neale (Ray Milland) erscheint die Welt außerhalb der Klinikmauern, in der kaum jemand ist, was er zu sein vorgibt, als vollkommen verrückt. Wohin Neale auch immer kommt, seine Feinde sind schon da, haben ihr Netz bereits gesponnen. Lang inszeniert eine düstere, albtraumhafte Welt ohne Möglichkeit, sich zu verstecken: Was Neale bleibt, ist die Flucht nach vorn.

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„Al Pacino’s Looking for Richard“ 10. 4.–11. 4. im Filmkunsthaus Babylon

Ein Meisterwerk der Avantgarde schuf Jean Cocteau mit seinem Erstlingsfilm „Le Sang d’un Poète“ (1930), in dem sich die vielfältigen Interessen und Talente des Universalgenies widerspiegeln: Poesie, Malerei und Theater. Ein traumgleicher Film ohne eindeutig erklärbare Handlung, dafür versetzt mit jenen Motiven aus Cocteaus Universum, die auch in späteren Werken immer wiederkehren werden: Statuen, die zum Leben erwachen, Masken mit aufgemalten Augen, der Eintritt in eine Parallelwelt durch einen Spiegel. LARS PENNING