Sterben soll erleichtert werden

Erster Entwurf für ein Sterbehilfe-Gesetz vorgelegt. Er stärkt vor allem die Patientenverfügung. Wenn der Patient dies so wünscht, sollen die Ärzte lebensverlängernde Maßnahmen einstellen dürfen

AUS BERLIN ULRIKE WINKELMANN

Den ersten Gesetzesantrag für ein Sterbehilfe-Gesetz hat der SPD-Abgeordnete Rolf Stöckel vorgelegt. In dem „Autonomie am Lebensende“ überschriebenen Antragsentwurf fordert Stöckel, dass der „Verzicht auf lebensverlängernde Maßnahmen“ dann „nicht rechtswidrig“ sein soll, wenn er auf Wunsch des Patienten geschieht. Mit dieser Forderung stärkt Stöckel die Patientenverfügung. Diese ist – neben der ausdrücklichen Willensäußerung – bislang das zentrale Instrument zur so genannten passiven Sterbehilfe.

In einer Patientenverfügung kann jeder erklären, ob er am Leben erhalten werden will, falls er im Fall einer Krankheit oder eines Unfalls zu keiner Willensäußerung mehr fähig ist. Zwar ist die Patientenverfügung grundsätzlich auch von der deutschen Rechtsprechung anerkannt. Doch kommt es etwa bei Wachkoma-Patienten immer wieder zu Auseinandersetzungen zwischen Ärzten und Bevollmächtigten darüber, ob und wie eine Patientenverfügung anzuwenden ist.

Ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) vom April vergangenen Jahres schuf weitere Verunsicherung. Deshalb setzte Justizministerin Brigitte Zypries im September eine Arbeitsgruppe „Patientenautonomie am Lebensende“ ein. Diese soll in wenigen Wochen ihre Ergebnisse vorlegen, wie der Patientenverfügung mehr Rechtssicherheit gegeben werden kann.

Doch offenbar wollte Stöckel hierauf nicht warten. Zur Berliner Zeitung sagte er, sein Antrag werde von 15 bis 20 SPD-, 5 bis 10 FDP-Abgeordneten und 5 Grünen unterstützt. 31 Unterschriften braucht Stöckel, um den Antrag in den Bundestag einzubringen. Wer hierfür in Frage kommt, blieb gestern allerdings etwas unklar. Bei den Grünen herrschte über die Zahl „5“ sowie Stöckels Vorstoß insgesamt milde Überraschung – „bei uns gibt es keinen Antrag und deshalb auch nichts zu unterschreiben“, hieß es aus Kreisen, die nicht genannt werden wollten.

Etwas deutlicher wurde der SPD-Gesundheitspolitiker Klaus Kirschner. „Ich weiß überhaupt nicht, was Abgeordnete treibt, zur Osterpause diese Sau durchs Dorf zu jagen“, sagte Kirschner zur taz. „Es wäre sinnvoll, solch ein sensibles Thema mit der Fraktion zu diskutieren, bevor man es in die Welt trägt.“

Der FDP-Abgeordnete Detlef Parr hatte den Antragsentwurf vorliegen, sagte jedoch zur taz: „Ich werde nicht dabei sein.“ Grundsätzlich unterstütze er jeden Vorstoß, der dazu beitrage, dass „der Tod als normaler Bestandteil unseres Lebens diskutiert wird“. An Stöckels Antrag jedoch hatte Parr zwei Kritikpunkte. So fehle das Element der „Zeitnähe“ der Patientenverfügung. Parr plädierte dafür, dass „die Patientenverfügung regelmäßig bestätigt wird“, denn eine Willenserklärung verliere an Wert, je älter sie werde.

Außerdem verlangte Parr, die Strafandrohung gegen Ärzte oder Behandelnde aus dem Antrag zu streichen. Problematisch sei, dass bestraft werden soll, wer gegen den Wortlaut einer Patientenverfügung „einen ärztlichen Eingriff vornimmt“. Dagegen hält Parr, dass das sensible, persönliche Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient nicht durch einen derartigen Druck belastet werden dürfe. Im Übrigen sei Stöckels Aktion jetzt „zu früh“, sagte Parr. Besser sei, außer auf die Arbeitsgruppe der Justizministerin auch auf den Bericht der Arbeitsgruppe „Menschenwürdig leben bis zuletzt“ zu warten, die zur Enquete-Kommission Ethik und Recht der modernen Medizin gehört und im Frühsommer fertig sein soll.

Dagegen äußerte sich Parrs Fraktionskollegin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger ausgesprochen zustimmend. „Ich unterstütze eine solche interfraktionelle Initiative“, sagte sie zur taz. Ein Gesetz zur Sterbehilfe müsse her, denn „die Patientenverfügung, wie wir sie haben, kommt an ihre Grenzen“.