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Archiv-Artikel

Keine Familienangelegenheit

Das Gewaltschutzgesetz wirkt, sagt der Sozialdienst Katholischer Frauen (SKF), der in Köln Opfer häuslicher Gewalt betreut. Immer mehr Opfer trauen sich, ihre Peiniger bei der Polizei anzuzeigen

Von Nicole Klemp

Häusliche Gewalt ist keine Privatsache mehr. Seit dem Jahr 2002 ist das so genannte Gewaltschutzgesetz in Kraft, nach dem häusliche Gewalt strafrechtlich geahndet wird, auch wenn es sich um handgreifliche Familienangelegenheiten handelt. Inzwischen trauen sich immer mehr Opfer, Hilfe in Anspruch zu nehmen: In Köln registrierte die Polizei allein im vergangenen Jahr 1.596 Fälle häuslicher Gewalt. Das sind 266 mehr als noch vor zwei Jahren. Experten führen die Zunahme der Anzeigen auf das neue Gesetz zurück.

Das Gewaltschutzgesetz garantiert dem Opfer vor allem schnellen Schutz, gibt es doch der Polizei die Möglichkeit, den Täter direkt der Wohnung zu verweisen. Anders als bei Sexualdelikten sind die Opfer nicht in der Beweispflicht, sondern müssen die Tat lediglich „glaubhaft machen“. Schließlich kann per einstweiliger Verfügung dem Täter für ein halbes Jahr der Kontakt mit seinem Opfer verboten werden. Ein „Platzverweis“ allein reicht indes nicht aus, wie die Kölner Polizei mittlerweile erkannt hat. Soll das Martyrium ein Ende haben, sind Netzwerke erforderlich, die auf Lösungen für ein Ende der Gewaltbeziehung ausgerichtet sind.

Hilfe in 24 Stunden

So entstand in Köln ein „Netzwerk gegen häusliche Gewalt“, das rund 2.000 speziell geschulte Polizisten, eine Fülle relevanter Einrichtungen sowie Ämter und Richter zusammenschließt. Zwei Interventionsstellen gegen häusliche Gewalt bilden die Vermittlungsstelle zwischen diesen Partnern, eine ist linksrheinisch, eine rechtsrheinisch angesiedelt.

Mit dem Einverständnis des Opfers kann die Polizei per Fax sofort Kontakt zu einer der Stellen herstellen. Die kümmert sich dann so schnell wie möglich um den oder die Betroffene. „Innerhalb von 24 Stunden nach Eingang des Faxes melden wir uns bei dem Opfer“, sagt Christiane Stermann, Leiterin der Interventionsstelle des Sozialdienstes Katholischer Frauen (SKF) im linksrheinischen Köln.

Um 949 Fälle von häuslicher Gewalt kümmerte sich der SKF im vergangenen Jahr, 863 verfolgte die Polizei. Gemeinsam mit den Betroffenen arbeitet der SKF daran, die individuellen Gründe und den Sinn der bisher ausgeübten Gewalt sowie bestehende Beziehungsmuster aufzudecken; Gewalttätigkeiten gehen oft mit anderen Problemen wie etwa Arbeitslosigkeit, Alkohol- und Drogensucht oder Schulden einher. Schließlich sucht der Sozialdienst Katholischer Frauen neue „Wege für einen konstruktiveren, achtsameren und respektvolleren Umgang der Partner“.

Wenn sich auch die Arbeit des SKF vorwiegend auf die Opfer konzentriert, so sind auch die Täter nicht auf sich allein gestellt. Beiden Partnern ist es ohne fremde Hilfe meist nicht möglich, sich aus der Gewaltbeziehung zu lösen. Ihr Selbstbewusstsein ist angeknackst, hinzu kommt das Unwissen, was Ämtergänge und Gesetze angeht. „Hier besteht vor allem bei Migrantinnen immer noch Aufklärungsbedarf“, sagt Stermann. Diese gingen häufig noch davon aus, dass sie abgeschoben werden, wenn sie Hilfe in Anspruch nehmen.

Hoher Bekanntheitsgrad

In 75 Prozent der Fälle sind auch Kinder von häuslicher Gewalt mittel- oder unmittelbar betroffen, schätzen Experten. Wenn sie Beobachter oder gar selbst Opfer von Gewalt werden, wachsen sie in dem Bewusstsein auf, dass Gewalt etwas Alltägliches sei. Folglich prügeln Erwachsene, zu deren Familiengeschichte Gewalt gehört, häufiger und empfinden Gewalt nicht mehr als Delikt.

Gerade deswegen sei das neue Gesetz so wichtig, sagt Monika Kleiner, Geschäftsführerin der Interventionsstelle des SKF: Polizei und SKF könnten schneller und gezielter gegen häusliche Gewalt tätig werden. „Das ist ein großer Erfolg“, so Kleiner. Das Gesetz habe mittlerweile einen hohen Bekanntheitsgrad, schätzt sie, die Bevölkerung werde dadurch für das Thema sensibilisiert.

Denn „Gewalt ist nicht nur das klassische blaue Auge“, sagt Christiane Stermann. Auch psychische oder verbale Attacken wie Verbote, Beleidigungen oder Nötigungen fallen unter den Gewaltbegriff und können angezeigt werden. „Gewalt ist etwas, das sich gegen die Freiheit einer Person richtet.“

Interventionsstelle gegen häusliche Gewalt, Hansaring 20, 50670 Köln, Tel. 0221 / 12 69 50