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Archiv-Artikel

schmickler macht ernst Pfeifen in die Sack

WILFRIED SCHMICKLER: Der Mann mit der Axt holzt für die taz

Seit Tagen wird mein bedauernswerter Schädel nun schon gemartert von dem, was der Musik-Biologe einen „Ohrwurm“ nennt. Also von irgend so einer dämlichen Doofmanns-Melodie, die sich ins Hirn gefräst hat und zu den unmöglichsten Gelegenheiten den Weg in die Schall erzeugenden Regionen des Körpers findet, um dort völlig unmotiviert los zu trällern. Kaum wache ich morgens auf, schon plärrt es wieder los: „Gib mir die Hand, ich bau Dir ein Schloss aus Sand, ögendwie, ögendwo, ögendwann!“

Angefangen hat das ganze Elend vor genau einer Woche, also am Samstag den 3. April, als ich ganz entgegen meiner sonstigen Gepflogenheiten schon um 10 Uhr morgens aufgestanden bin. Und das aus einem einzigen Grund: damit es besser wird! Ich bin also dem Aufruf all derer gefolgt, die die Schnauze endgültig voll haben und mit einem mächtigen Zeichen gegen jede Form von Ab- und Raubbau dafür sorgen wollten, dass es in diesem Land endlich, eh, besser wird.

Nachdem mir beim Frühstück allerdings erhebliche Zweifel kamen, ob es der großen Sache wirklich dienlich wäre, mich auf den weiten Weg auf die andere Rheinseite zu machen, um von dort wieder in die Innenstadt zurück zu latschen, habe ich mich dann – wie ich zu meiner eigenen Schande gestehe – dazu entschlossen, eine Abkürzung zu nehmen und quasi als autonomer Block direkt von der Südstadt zum Rudolfplatz zu radeln. Und da hat's mich dann voll erwischt: „Ögendwie, ögendwo, ögendwann!“

Aus gewaltigen Lautsprechertürmen quoll mir dieser Klassiker des Polit-Rocks entgegen, derweil auf riesigen Video-Bildschirmen das schlecht geliftete Bild einer Nena-Doppelgängerin eingeblendet wurde. Wo war ich? Bei Dumpf-Rock am Ring? Ich wollte schon wieder kehrt machen, da hörte ich den singenden Luftballon davon reden, dass jetzt leider Schluss wäre mit dem geilen Konzert, weil jetzt kämen noch eine Menge Leute, die „auch alle was wichtiges zu sagen hätten“.

Und die kamen dann auch. Nur habe ich von dem Wichtigen, was sie zu sagen hatten, rein gar nichts mitbekommen, da ich mitten in einer Gruppe von IG-Metall-Veteranen eingekeilt war. Sie kamen ihrem Akzent nach aus‘m Pott und hatten alle das angesagte IG-Metall-Arbeitskampf-Outfit: DGB-Käppi, Plastiksack und Trillerpfeife.

Und kaum hatte der erste Redner sein „Kolleginnen und Kollegen“ in die wütende Menge geschleudert, da trillerten sie los auf ihren Pfeifen, dass mir Hören und Sehen verging – also vor allem Hören. Und als dann noch die Kölner Allzweck-Kapelle Brings zum Abschluss das alte Arbeiterlied „Ich möt ze foos noh Kölle jon“ intonierte, da bin ich dann gegangen, weil jetzt konnte es wirklich nur besser werden. Ögendwie, ögendwo, ögendwann!