: Outbreak in Rahlstedt
Kinderkrankenhaus Wilhelmstift löst wegen Einlieferung erkrankter Kids nach Afrika-Trip Seuchenalarm für ganz Hamburg aus und stellt Patienten unter Quarantäne. Der Ernstfall – in diesem Fall nur geprobt. Trotz Lob soll nachgebessert werden
VON KAI VON APPEN
Der Albtraum scheint perfekt: Nur wenige Stunden nach der Rückkehr von ihrem Trip von der Elfenbeinküste werden die beiden Kinder krank. Die Kids klagen über Unwohlsein, Erbrechen, Gliederschmerzen – sie haben Husten und hohes Fieber. Eine einfache Grippe? Als sich nach einer Nacht trotz Hausmittelchen am Zustand nichts ändert, nimmt Sybille Kuhn ein Taxi. Das steuert direkt die Notfall-Ambulanz der Kinderklinik Wilhelmstift in Rahlstedt an. Ein gruseliges Szenario beginnt. Wenn auch nur zur Probe.
Auf dem Weg zum Krankenhaus erinnert sich der Fahrer, dass er am Vortag Sybille Kuhn vom Flughafen nach Hause gefahren hat. Kaum im Kinderkrankenhaus angekommen, informiert der Taxifahrer einige Medien, um sich „eine Mark hinzuzuverdienen“.
Im Krankenhaus ahnt derweil niemand etwas: Sybille Kuhn schildert den Ärzten die Symptome – sachlich, aber auch nicht ohne Dramatik. Mehrere Mediziner sondieren, zählen eins und eins zusammen: Lasser, Ebola, SARS, Vogelgrippe – „alles ist möglich“. Krisenpläne werden gewälzt, dann die Klinik-interne Task Force aus vier Leitenden Ärzten und Direktoren über Handy informiert. Sofort wird die interne Information herausgegeben, dass es vermutlich wegen einer „hochgradig ansteckenden und lebensbedrohlichen Erkrankung eine Krise gibt“.
Hektik bricht aus: Die Türen der Kinderklinik verriegeln sich per Knopfdruck elektronisch. Die Klimaanlage wird abgestellt, die Aufzüge werden gesperrt. Schwestern, Pfleger und ÄrztInnen legen Schutzkleidung an. Schilder werden an die Türen angebracht: „Gesperrter Bereich – Betreten verboten“. Die gesamte Ambulanz wird unter Quarantäne gestellt. Selbst der technische Direktor, der zur Task Force gehört und schon auf dem Heimweg war, kommt nicht mehr in die Klinik zurück. Die beiden Kids sind inzwischen in den verschleusten Schockraum gebracht worden. Erste Journalisten treffen ein.
Indes finden die ersten Kontaktaufnahmeversuche der Klinik-Task Force mit dem Amtsarzt der Gesundheitsbehörde statt – vergeblich. Während das Klinik-Krisenmanagement sich weiter um eine Verbindung zum Krisenstab bemüht, setzt eine Ärztin in Schutzkleidung eine Spritze zur Blutentnahme bei den infizierten Kindern an. In diesem Moment zückt Sylvia Kuhn ihren Ausweis und gibt sich als Mitarbeiterin der Gesundheitsbehörde zu erkennen. Nun ist dem Klinikpersonal klar, dass es sich nur um eine Übung handelt. Doch alle sollen weiter mitmachen.
Und so probiert die Task Force fortan, den Seuchenschutz zu alarmieren. Dies geschieht in diesem geprobten Fall erst durch externe Unterstützung, so dass nach einiger Zeit der „Infektionsrettungswagen“ (IRtW) der Feuerwehr aus Altona in Rahlstedt eintrifft. Im IRtW, der über ein hermetisch abgeriegeltes und seperates Belüftungssystem verfügt, werden die beiden Kids von geschultem Personal in isolierten Schutzanzügen in das Bernhard-Nocht-Tropeninstitut gebracht.
Es war die zweite Katastrophenschutz-Übung in Hamburg ohne Vorwarnung für das Klinikpersonal. Nun liegen die ersten Ergebnisse vor. „Die klinikeigenen Maßnahmen haben gut gegriffen“, sagt Hartmut Stienen von der Gesundheitsbehörde. „Schutzmaßnahmen für das Personal und Patienten, notfallmedizinische Maßnahmen – alles war sehr gut“, so Stienen. „Die Isolation ist vorbildlich gelaufen, die Sperren waren effektiv.“
Doch im Folgenden sind laut Stienen „offenkundige Defizite“ aufgetreten. So hätten Kommunikationssysteme einfach versagt. „Die Alarmierung des Seuchenstabes hat nicht so funktioniert, wie es hätte sein sollen.“ So seien Informationen zum Amtsarzt, der Behörde für Gesundheit, des Landesfeuerwehrarztes, der Seuchenreferentin und an das Tropeninstitut zu spät durchgedrungen. Stienen: „Daran muss gearbeitet werden.“
Aber auch die Ärzte des Wilhelmstift und der technische Leiter Volker Gulisch der kleinen und gemeinnützigen Klinik wollen sich trotz der positiven Bewertung nicht auf Lorbeeren ausruhen und sehen noch Handlungsbedarf. „So war die Klimaanlage zwar sofort abgeschaltet worden, doch im Gefahrenbereich hat dies niemand wahrnehmen können“, sagt er. „Und auch die Aufzüge müssen im Ernstfall per Hand vom Personal vor Ort abgestellt werden können, damit nicht jemand versehentlich in den Gefahrenbereich hereinkommt. Gulisch: „Das muss geändert werden.“
Und auch im Ernstfall müssten sich laut Gulisch Kliniken bei einem Andrang von Medien und Angehörigen etwas einfallen lassen. „Eine Pressestelle fernab wird nicht angenommen.“ Dennoch ist die Gesundheitsbehörde über das Fazit der Übung zufrieden. Stienen. „Wir sind sehr beruhigt, dass doch alles in allem sehr gut geklappt hat.“