: US-Politik fragwürdig
US-Abgeordnete wollen untersuchen, ob Geheimdienstinformationen manipuliert wurden, um den Krieg gegen Irak durchsetzen zu können
aus Washington MICHAEL STRECK
Die Debatte um die wahren Gründe des Irakkrieges bringen die amerikanische und britische Regierung in Bedrängnis. Seit Pentagonvize Paul Wolfowitz, einer der Wortführer des Krieges, letzte Woche unverblümt zugegeben hatte, Massenvernichtungswaffen seien einfach die bequemste Argumentation für den Krieg gewesen, hagelt es Kritik auf beiden Seiten des Atlantiks. Während George W. Bush auf seiner Europatour die Skeptiker zu besänftigen versucht, gebetsmühlenartig von „gesicherten Erkenntnissen über Saddam Husseins Arsenal an Massenvernichtungswaffen“ spricht und zwei gefundene Lkw-Labors als ultimativen Beweis für Biowaffen verkauft, stehen Außenminister Colin Powell und sein britischer Amtskollege Jack Straw unter Beschuss.
Die beiden hätten vor dem Krieg selbst massive Zweifel an der Stichhaltigkeit der „Beweise“ gegen den Irak gehabt, berichtet der britische Guardian. Das Blatt berichtet unter Berufung auf ein unter Diplomaten kursierendes Protokoll von einem Treffen zwischen Powell und Straw in New York kurz vor der entscheidenden Sitzung des UNO-Sicherheitsrats am 5. Februar.
Damals legte Powell Washingtons „Beweise“ gegen den Irak vor. Straw soll sich besorgt geäußert haben, dass sich die Behauptungen von Bush und Großbritanniens Premier Tony Blair nicht beweisen ließen. Das Gros des Geheimdienstmaterials bestünde aus Annahmen und Wertungen, die sich nicht durch harte Fakten untermauern ließen. Auch Powell sei skeptisch gewesen. Er habe Straw gesagt, er hoffe, dass das Material nach der Veröffentlichung „uns nicht um die Ohren fliegt“. Die Protokolle wurden laut Guardian von Diplomaten lanciert, die sich manipuliert fühlten.
Auch im US-Kongress wächst die Zahl derer, die sich betrogen fühlen. Die demokratische Abgeordnete im Repräsentantenhaus Jane Harman sagte der Los Angeles Times, sie und andere Parlamentarier hätten ihre Zustimmung zum Krieg nur aufgrund der Behauptung des Weißen Hauses gegeben, der Irak stelle eine unmittelbare Bedrohung für die USA dar. „Sollte sich herausstellen, dass diese Information falsch war“, warnte sie, „wird dies die Glaubwürdigkeit der Regierung bei jeder Argumentation für einen künftigen Krieg erschüttern.“ Ironischerweise fordern nun Abgeordnete, die Bush noch im Herbst 2002 einen Blankoscheck für den Krieg erteilten, einen Untersuchungsausschuss zur Frage, ob die CIA versagt habe oder Geheimdienstdaten manipuliert wurden.
Selbst hohe US-Militärs distanzieren sich von ihrer Regierung. General James Conway, Oberbefehlshaber des US-Marinekorps im Irak, nannte die Informationen „schlicht falsch“, nach denen Saddam Hussein die US-Truppen mit B- oder C-Waffen habe angreifen wollen. Er sei überrascht, so Convay, dass bisher keine ABC-Waffen im Irak gefunden wurden. „Es liegt nicht daran, dass wir es nicht versucht hätten“, betonte er. „Wir haben jedes irakische Munitionslager zwischen Kuwait und Bagdad untersucht. Aber es ist einfach nichts da.“