Medientheorie praktisch
: Das Page-In

LeserInnen sind ein schwer zu bändigendes Völkchen. Wild wühlen sie sich durch eine liebevoll gemachte Zeitung, blättern hierhin, dorthin, überblättern – dictum horribile – vielleicht sogar in Ausnahmefällen die Kulturseite und verpassen mithin Wesentliches.

Zum Glück aber gibt die Medientheorie Handreichungen, wie der anarchische Lesestrom zu steuern ist. Sattsam bekannt ist die Funktion von Fotounter- und Textüberschriften. Darüber hinaus aber braucht jede Seite ein Appetithäppchen, einen leckeren Einstieg. Dieses so genannte Erstleseelement muss demnach kurz und animierend sein. Die angelsächsischen Kommunikationswissenschaften sprechen von einem „Page In“. Dem/der LeserIn müsse gleichsam ein erlebnishaftes Authentizitätsangebot gemacht werden, um ihn auf das – zum Beispiel – Abenteuer Kulturseite vorzubereiten.

Die praktische Umsetzung dieses strategischen Grundsatzes ist gar nicht so kompliziert. Unsere örtlichen Mitbewerberinnen etwa, die eineiigen Zwillinge BN und WK, setzen erfolgreich auf das Sack-Reis-Prinzip: Täglich plaudert ein Tach auch-Autor über jüngst Erlebtes und anschließend Räsoniertes.

Die Bremer taz hingegen hat das System des so genannten Meldungswetters ersonnen, das – gleich neben dem Titelkopf – zuverlässige Klimaprognose mit echtem Ereignis kombiniert. Dessen kulturelle Variante stellten lange die legendären „Hausfrauenwinke“ dar. Ihr Trumpf war nicht Aktualität, sondern der immer wieder bestätigte praktische Nutzwert der 1936 formulierten Lebenshilfen.

Nach fünfzig Folgen (und einer kleinen Pause) haben wir uns nun entschlossen, der Theorie des Page In in noch größerer Konsequenz Genüge tun, indem wir die Parameter Kürze und Animationskraft in Gestalt eines täglichen Kulturwitzes maximieren.

Wundern Sie sich also nicht über die kommenden Wochen. HB