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Archiv-Artikel

Der Frühprotest der Weitgereisten

Kaum zurück vom G-8-Gipfel zogen gestern morgen Gloablisierungskritiker durch das Regierungsviertel zur Schweizer Botschaft. Sie wollten auf Repressalien in der Schweiz aufmerksam machen. Polizei kam erst nach 15 Minuten

Selbst demoerfahrene Berliner rieben sich die Augen, als am Dienstagmorgen rund 60 mit Rücksäcken bepackte Menschen singend, trommelnd und Parolen rufend vom Bahnhof Friedrichstraße Richtung Reichstag liefen. Schnell bildete sich im Berufsverkehr ein Stau, den die Polittouristen ebenso souverän ignorierten wie sämtliche Bannmeilenbestimmungen im Regierungsviertel. Auch für die Polizei kam der Aufzug überraschend, sie traf erst nach 15 Minuten ein.

Die Demonstranen waren weit gereist. Per Sonderzug kamen sie aus der Schweiz, von den dortigen Protesten gegen den G-8-Gipfel. Zurück in Berlin wollten sie noch vor Dienstbeginn gegen die Repressalien protestieren, die Globalisierungskritiker erlebten, und zogen zur Schweizer Botschaft. Zwar fand das G-8-Treffen im französischen Evian statt. Doch die Protestierenden bewegten sich überwiegend zwischen Genf und Lausanne auf Schweizer Territorium.

Über 500 der mehr als hunderttausend Globalisierungsgegner, die sich in verschiedenen Camps auf die Aktionen vorbereiteten, kamen aus Berlin. Mehr als 300 von ihnen fuhren mit einem von Attac gecharterten Sonderzug nach Genf. Am Dienstagmorgen kamen sie weitgehend unverletzt wieder in Berlin an.

„Es gab keine flächendeckende Repression wie noch vor zwei Jahren in Genua“, meinte denn ein Polittourist. Doch mehrere in den Medien nicht erwähnte Vorfälle motivierten die Polittouristen zur frühmorgendlichen Spontandemo. So sei ein Direct-Action-Aktivist bei einem Sturz schwer verletzt worden, als ein Polizist das Seil durchschnitt, mit der er sich für eine Blockadeaktion von einer Autobahnbrücke abseilen wollte.

Auch eine über 20-köpfige Gruppe polnischer Aktivisten, die von Berlin aus mitreiste, berichtete von ständigen Repressionen in der Schweiz. Mehrmals seien sie ohne Grund festgenommen und dabei mit antipolnischen Sprüchen bedacht worden. Weil sie unbehelligt ihre Heimreise antreten wollten, hatte die Gruppe allerdings auf Proteste in Berlin verzichtet und nur einen Trompeter zur Morgendemo delegiert. PETER NOWAK