: Noch im Trainingslager
Ein Jahr nach dem Ende der Olympia-Bewerbung: Ansichten über die Bedeutung der Sportstadt Hamburg gehen weit auseinander
von PETER AHRENS
Topfit oder abgeschlafft und untrainiert – ein Jahr, nachdem die Olympia-Bewerbung der Hansestadt live vor Tausenden auf dem Rathausmarkt zu Grabe getragen wurde, gehen die Ansichten über die gegenwärtige Tagesform der Sportstadt Hamburg ziemlich weit auseinander. Während der sportpolitische Sprecher der SPD-Bürgerschaftsfraktion, Jürgen Schmidt, bilanziert: „Viel ist angekündigt, passiert ist fast nichts“, sieht Gerald Wogatzki, Geschäftsführer der Handelskammer und Vorsitzender der Stiftung Leistungssport, Hamburg „auf einem guten Weg“.
Die „Sportstadt Hamburg“ ist als ein Aspekt im Konzept der Wachsenden Stadt Ole von Beusts fest verankert. Die für den Sport zuständige Bildungsbehörde beeilt sich denn auch stets, den Willen zu betonen, „Hamburg zur europäischen Sportstadt zu entwickeln“. An der Frage, was darunter zu verstehen ist, scheiden sich die Gelehrten: „Linke Parteien, wenn man SPD und GAL dazu zählen will, haben nun einmal traditionell eher den Breitensport im Blick, rechte Parteien den Leistungs- und Spitzensport“, sagt Jürgen Lange-Amelsberg, Professor am Institut für Sportwissenschaft der Universität Hamburg. Er sieht daher sowohl das Senatskonzept zur Förderung des Spitzensports als auch die Kritik der Opposition daran als „stimmig und konsequent“ an.
Denn wenn Schmidt darauf aufmerksam macht, dass die Sportlehrer fast geschlossen gegen die Bildungspolitik des Senats mobil machen und Wogatzki darauf hinweist, dass sich „der Senat in vorbildlicher Weise viel vorgenommen hat“, dann haben beide in ihren Denkmustern Recht.
Die Handelskammer und die von ihr ins Leben gerufene „Stiftung Leistungssport“ hat vor allem den Hochleistungssport im Blick, denkt an „mögliche Olympiasieger, die uns schmücken würden“, an den Spitzensport als Marketing- und Standortfaktor. „In dieser Hinsicht hat eine zunehmende Vernetzung relevanter Kräfte stattgefunden“, anerkennt auch Lange-Amelsberg. Den Mentalitätswandel der Politik hin zum Leistungssport sieht er jedoch „mit gemischten Gefühlen“, die „Sorge, dass eine gewisse Bewegungskultur vernachlässigt wird“, treibt ihn um.
Das geht auch der SPD so, ihre Kritik entzündet sich aber auch an den Realitäten im Leistungssport. So habe der Senat in Bezug auf den Bau der geplanten Leichtathletikhalle „ein Jahr verschenkt“, so Schmidt, das neue Hockeystadion sei „schon seit einiger Zeit im Gespräch, ohne dass etwas passiert wäre“. Das Beiprogramm zur Fußball-WM 2006 sei finanziell nicht abgesichert, die Handelskammer-Stiftung laufe nur langsam an.
Wogatzki verweist im Gegensatz dazu zwar darauf, dass die Stiftung mit Absicht erst mit Beginn dieses Jahres richtig loslegen solle, er räumt jedoch auch ein, dass „wir die Erwartungen, die wir noch 2002 gehegt hatten, 2003 revidieren mussten“. Die Unternehmen seien angesichts der schwierigen wirtschaftlichen Situation verständlicherweise zögerlicher beim Geldspenden gewesen, als die Kammer dies anfangs erhofft hatte. Beim Thema Hockeystadion springt Lange-Amelsberg dem Senat zur Seite: Hier sei die Planung vorangeschritten und „schon mehr passiert, als man nach außen sehen kann“.
500.000 Euro hat der Senat in diesem Jahr freigeschaufelt, um Top-Ereignisse wie den Marathon am kommenden Sonntag, die Rad-Cyclassics und den Triathlon abzusichern. Für Schmidt gilt als sicher, dass dieses Geld woanders fehlen wird: „Der Breitensport in Hamburg wird sich wohl noch wundern.“
Podiumsdiskussion: „Leistungssport in Hamburg“, veranstaltet vom Fachbereich Sportwissenschaft der Uni, heute 19 Uhr im Museum für Völkerkunde, Rothenbaumchaussee 64. Eintritt frei