Im Keller ein Platz an der Sonne

Als Gastarbeiterin kam Maria Papaioannou nach Deutschland, gestern bekam sie die Verdienstmedaille des Bundespräsidenten. Als Leiterin der zweisprachigen Kita „Faros“ brachte sie Deutsche und Griechen zusammen

„Ich habe im Keller angefangen und bin nach oben gestiegen.“ Maria Papaioannou meint es wörtlich. Vor 33 Jahren hat die 58-jährige Griechin im Souterrain der Jesus-Gemeinde in Kreuzberg die ersten Kinder betreut. „Die Jesus-Gemeinde gibt es dort nicht mehr, aber uns.“ Heute untersteht das Haus dem Diakonische Werk, und über hundert deutsche und griechische Kinder sowie vierzig Erzieherinnen haben es für sich. Aus einer Notlösung für Gastarbeiterkinder ist die bikulturelle Kindertagesstätte „Faros“ – Leuchtfeuer – geworden, die auch dem Bundespräsidenten gefällt. Johannes Rau hat Maria Papaioannou gestern mit der Verdienstmedaille der Bundesrepublik auszeichnen lassen.

Graue Haare umrahmen ihr jung gebliebenes Gesicht, die Wangen sind gerötet, vielleicht vor Aufregung. Den ganzen Tag könne sie schon nichts essen, erzählt sie. Stattdessen trinkt sie Kaffee mit Milch und Zucker. Als sie 1964 aus Griechenland nach Deutschland kam, habe Papaioannou nicht geglaubt, dass sie vierzig Jahre später immer noch hier leben würde. Damals kamen sie und ihr Mann als „Gastarbeiter“, sie wollten schnell Geld verdienen und zügig in die Heimat zurückkehren.

Die Rückkehrpläne blieben liegen, der Sohn wurde geboren. Maria Papaioannou brachte den Säugling zu ihrer Mutter in den Norden Griechenlands. Sie kehrte allein zurück und arbeitete für seine Zukunft in deutschen Fabriken. „Das haben viele Eltern so gemacht.“ Doch als sie das Kind nach drei Jahren zu sich holte, war es ihr fremd geworden. „Da war eine Leere, und ich musste etwas tun, um es wieder gutzumachen.“

Fortan wollte sie für Kinder da sein und fand ein Jahr später eine Stelle als Hausaufgabenbetreuerin für griechische Kinder, die in Vorbereitungsklassen die deutsche Sprache erlernten. Die Kinder kamen nachmittags zu ihr in die Räume in der Kreuzbergstraße, vormittags nahm sich Papaioannou ihrer jüngeren Geschwister an und gründete eine Kindergartengruppe. „Die Eltern haben alle gearbeitet. Für die Kinder war es bei mir wie ein Platz an der Sonne.“ Papaioannous helle Augen lachen.

Von Anfang an lernten die Kinder beide Sprachen und Kulturen kennen. Sie sei immer von sich ausgegangen, sagt Papaioannou, die Kinder sollten nicht die gleichen Anfangsschwierigkeiten haben wie sie. Papaioannou, die nie einen Deutschkurs besucht hat, ist misstrauisch gegenüber ihrer eigenen Sprachfertigkeit. Als 1996 deutsche Kinder hinzukamen, war sie nervös. „Ich hatte sehr große Angst – vor dem Schriftlichen, vor den Besprechungen. Aber die Eltern haben mich überrascht.“ Sie rühmt ihre Hilfsbereitschaft und wünscht allen Migranten, dass sie sich mehr an die Deutschen heranwagen. Bei den Kindern funktioniere die Annäherung schließlich ohne Probleme. „Jeder soll sich wohlfühlen und seine eigene Identität behalten.“ In der Kita „Faros“ ist dieser Gedanke lebendig geworden.

Papaioannou hat sich 2003 aus dem Betrieb zurückgezogen. „Das war mein Kind, ich habe es großgezogen und nun verheiratet.“ Sie lächelt und wischt sich die Augen. ANNA LEHMANN